Kommentar |
Die Phänomene Sterben und Tod haben in der Literatur zu zahl- und facettenreiche Darstellungen und Deutungen angeregt. Zu einem zentralen Thema avancieren sie in der Literatur des Mittelalters, der Reformationszeit und des Barock. Während Fragen von Sterblichkeit und Tod heute zu großen Teilen aus dem öffentlichen Leben verdrängt, tabuisiert oder dem Zuständigkeitsbereich religiöser Seelsorge anheimgestellt werden, illustrieren viele frühneuzeitliche Texte ein dezidiertes Interesse an postmortalen Diskursen. Todesstunde, Jenseits, Gericht, der Zustand von Körper und Seele nach dem Ableben sowie die rückblickende und selbstreflexive Frage nach dem Sinn und dem Gelingen des eigenen Lebens angesichts des nahenden Todes sind häufig wiederkehrende Motive. Bemerkenswert ist die weitestgehend positive Erwartungshaltung, die viele Texte mit Blick auf das Lebensende evozieren. Besonders die Literaturtradition des memento mori, contemptus mundi und der ars moriendi interpretiert den Tod als Erlösung aus der diesseitigen, von Leid, Mühsal und Eitelkeit (vanitas) geprägten Welt.
Zentraler Gegenstand des Seminars ist die sorgfältige, systematische und analytische Lektüre frühneuzeitlicher Texte unter Berücksichtigung ihres Entstehungs-, Epochen und Gattungskontextes. Dabei werden die in den Grundkursen erworbenen literaturwissenschaftlichen Kernkompetenzen für die Interpretation einer Reihe kanonischer Texte fruchtbar gemacht: Andreas GRYPHIUS' viel beachtetes Sonett Es ist alles eitel, seine Leichabdankungen und das Trauerspiel Catharina von Georgien, Paul GERHARDTS Nun ruhen alle Wälder und Matthias CLAUDIUS' Abendlied, zwei exponierte Texte der Abendliedtradition. Darüberhinaus lesen wir Jakob AYRERS Fastnachtsspiel mit acht personen: der baur mit seim Gefatter Todt und ein Jedermann-Drama des Nürnberger Meistersingers Hans SACHS. Die literarästhetische Verknüpfung von Text und Bild in Emblem und Figurengedicht bilden ein weiteres reizvolles Sujet.
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