Kommentar |
Termine (jeweils mittwochs 16 h – 20 h): 25.10.2023, 08.11.2023, 22.11.2023, 06.12.2023, 20.12.2023, 10.01.2024, 31.01.2024, 07.02.2024
In der liberal-demokratischen Tradition wird Zivilgesellschaft als „eine Sphäre der sozialen Interaktion zwischen der Ökonomie und dem Staat” (Cohen and Arato 1994: ix) verstanden. Sie umfasst den Bereich des Privaten (v.a. der Familie), der Sozialen Bewegungen und der Öffentlichkeit (Medien). Zivilgesellschaft wird durch Gesetze erzeugt und stabilisiert, die die Macht des Staates beschränken (Menschenrechte, u.a. Meinungsfreiheit) und dadurch eine Zone der Freiheit und des politischen, sozialen und intellektuellen Engagements in allen möglichen Bereichen ermöglicht. Der Umfang und die Qualität dieser Rechte und der mit ihnen verbundenen Partizipationsmöglichkeiten variiert über Länder und Epochen hinweg stark und ermöglicht dadurch eine vergleichende Befassung mit verschiedenen Ausprägungen von Zivilgesellschaft. In Demokratien bietet sie Räume der Beteiligung und Artikulation von Unzufriedenheit und ist dadurch bis zu einem kritischen Punkt wichtig für die Systemstabilisierung, während sie in autokratischen Systemen häufig die Funktion einer außerparlamentarischen Opposition und einer Gegenöffentlichkeit erfüllt und systemdestabilisierend wirken kann.
Das Seminar beleuchtet diese unterschiedlichen Rollen und Ausprägungen zivilgesellschaftlichen Engagements in verschiedenen nationalen Kontexten, analysiert Akteure und die Ausgestaltung von Partizipationsräumen. Es beschäftigt sich darüber hinaus intensiv mit den unterschiedlichen Ansätzen und theoretischen Ausgestaltung von Zivilgesellschaft, mit der Rolle der Medien in der Zivilgesellschaft und mit deren aktiver Rolle als Vermittler von Information, Expertise und Orientierungswissen. Der Schwerpunkt des Seminars liegt im deutsch-französischen Bereich, der jedoch durch komparatistische Perspektiven auf den europäischen und globalen Rahmen erweitert wird. Im Rahmen des Seminars werden auch öffentliche Gastvorträge von ExpertInnen stattfinden.
In den Sprechstunden der Dozent*innen können Referatsthemen während der Semesterferien vereinbart werden (bitte Termin per E-Mail vereinbaren : ulrike.dausend@nes-web.de; luesebrink@mx.uni-saarland.de; l.rampeltshammer@univw.uni-saarland.de) : Ein Semesterapparat mit einschlägiger Forschungsliteratur steht ab 1.10. in der SULB zur Verfügung. Zur Beratung der Studierenden und zur Vor- und Nachbereitung der Referate werden die Dozent*innen vor den Seminarsitzungen zwischen 14.00 und 15.30 Uhr gemeinsame Sprechstunden anbieten.
Referatsthemen:
- Zivilgesellschaft und Protestgewalt – soziale Medien, Gewaltlegitimation und mediale Perzeptionsmuster am Beispiel der „violences/émeutes urbaines” Ende Juni 2023 in Frankreich
- Die Rolle des Intellektuellen als Wortführer von demokratischen Interessen der Zivilgesellschaft – Auslaufmodell oder mediale Transformation (am Beispiel Frankreichs und Deutschlands)?
- Zivilcourage in der Zivilgesellschaft – Begriffe, Fallbeispiele, Identifikationsfiguren (am Beispiel Frankreichs und Deutschlands)
- a) „Shrinking spaces” – Einschränkungen von Bewegungen für die Rechte von Frauen in Ländern des Globalen Südens
- b) „Shrinking spaces” – Einschränkungen von Bewegungen für die Rechte der LGBTIQ-Community in Ländern des Globalen Südens
- Die Rolle zivilgesellschaftlichen Engagements in lokalen Transformationsprozessen am Beispiel von Stadtentwicklungskonzepten in Barcelona und Paris
- Rentenproteste im deutsch-französischen Vergleich – zu den juristischen und institutionellen Voraussetzungen zivilgesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten in Deutschland und Frankreich am Beispiel der Rentenproteste
- (Rechts-)Populismus als Gefahr für die demokratische Zivilgesellschaft im deutsch-französischen Vergleich – Akteure und Mediennutzungsformen
- Fake News in sozialen Medien als Bedrohung demokratischer Zivilgesellschaften
Information pour les étudiant(e)s francophones: Les exposés et les interventions pendant le séminaire peuvent aussi être présentés en langue française, de même que les travaux écrits (Hausarbeiten). |
Literatur |
Öffentlichkeit und aktueller Medienwandel
Champagne, Patrick. Faire l’opinion: le nouveau jeu politique. Paris, Éditions de Minuit, 2004.
Gensing, Patrick. Fakten gegen Fake News oder der Kampf um die Demokratie. Berlin, Dudenverlag, 2019.
Habermas, Jürgen. Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik. Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2022.
Römer, David / Spieß, Constanze. Populismus und Sagbarkeiten in öffentlich-politischen Diskursen. Duisburg, Universitätsverlag Rhein-Ruhr, 2019.
Transformationen der Zivilgesellschaft im Kontext des Medienwandels
Fourquet, Jérôme. L’archipel français: naissance d’une nation multiple et divisée. Paris, Éditions du Seuil, 2019.
Fourquet, Jérôme / Caddely, Jean-Laurent. La France sous nos yeux: économie, paysages, nouveaux modes de vie. Paris, Éditions du Seuil, 2021.
Haute, Tristan / Tiberj, Vincent. Extinction de vote? Paris, PUF, 2022.
Honneth, Axel. Der arbeitende Souverän. Eine normative Theorie der Arbeit. Frankfurt am Main, Suhrkamp, 2023.
Le Bras, Hervé. Tableau historique de la France: la formation des courants politiques de 1789 à nos jours. Paris, Éditions du Seuil, 2022.
Rosanvallon, Pierre. Le modèle politique français: la société civile contre le jacobinisme de 1789 à nos jours. Paris, Éditions du Seuil, 2004.
Schroeder, Wolfgang / Greef, Samuel / Ten Elsen, Jennifer / Heller, Lukas / Inkinen, Saara. Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung, 2022.
Seidendorf, Stefan. „Conseil national de la refondation. ‚Runder Tisch‘ à la française oder Ausdruck der politischen Spaltung?” In: Aktuelle Frankreich-Analysen, Nr. 39. Ludwigsburg, Deutsch-Französisches Institut, Oktober 2022. Online abrufbar unter: https://www.dfi.de/pdf-Dateien/Veroeffentlichungen/afa/afa39.pdf [Zugriff: 21.06.2023].
Neue Bürger- und Protestbewegungen als Ausdruck neuer Formen der Zivilgesellschaft
Beauchard, Jacques. Le peuple contre le peuple: démocratie et Gilets jaunes. Paris, L’Harmattan, 2020.
Dausend, Ulrike / Lüsebrink, Hans-Jürgen / Rampeltshammer, Luitpold. Protestbewegungen und Protestkulturen im deutsch-französischen, europäischen und globalen Kontext. Soziale Akteure, politische und mediale Ausdrucksformen, transkulturelle Dimensionen. Saarbrücken, universaar / Hildesheim, Georg Olms Verlag, 2023.
Huët, Romain. Le vertige de l’émeute: des ZAD aux Gilets jaunes. Paris, PUF, 2019.
Huyghe, François-Bernard / Desmaison, Xavier / Liccia, Damien. Dans la tête des Gilets jaunes. Versailles, V.A. éditions, 2018.
Maffesoli, Michel. L’ère des soulèvements: émeutes et confinements. Les derniers soubresauts de la modernité. Paris, Éditions du Cerf, 2021.
Noiriel, Gérard. Les Gilets jaunes à la lumière de l’histoire. La Tour d’Aigues, Éditions de l’Aube, 2019.
Der Begriff ‚Zivilcourage‘ als Konzept und Modell
Fourquet, Jérôme. „Aux origines de la ‚décivilisation‘.” In: Le Point, No. 2652, 1. Juni 2023, S. 27-31.
Gatinois, Claire. „Missak Manouchian et l’esprit universaliste de la Résistance au Panthéon.” In: Le Monde, No. 24403, 79e année, 20. Juni 2023, S. 9.
Meyer, Gerd. Mut und Zivilcourage. Grundlagen und gesellschaftliche Praxis. Opladen/Berlin/Toronto, Verlag Barbara Budrich, 2014. |