Kommentar |
Auf Basis der Arbeiten von Maurice Halbwachs zum kollektiven Gedächtnis entwickelte der französische Historiker Pierre Nora Mitte der 1980er Jahre das Konzept des ‚lieu de mémoire’. In einem solchen ‚Erinnerungsort‘, so die Annahme, kulminierten die Erinnerungen einer bestimmten Gemeinschaft, meist Nation, und würden ihre Erinnerungskultur und somit Identität prägen.
Der Begriff ‚Ort‘ ist hierbei auch abstrakt zu verstehen, d.h. er meint sowohl geografisch-konkrete Orte (Berliner Mauer) als auch Daten/Ereignisse (9. November), Personen (Charles de Gaulle), Institutionen (Bundesliga) usw. Über einen streng nationalen Kontext hinaus werden zudem ‚gemeinsame‘ sowie ‚geteilte‘ Erinnerungsorte beschrieben, wie etwa Verdun oder Versailles für Deutschland und Frankreich oder Kopernikus/Mikolaj Kopernik als deutsch-polnischer Erinnerungsort. Die Konjunktur des Begriffs führte zu dessen Übertragung auf unterschiedliche Räume oder Perioden, was die Kritik hervorrief, das Konzept sei nicht scharf genug umrissen und ließe sich auf praktisch alles, was halbwegs Erinnerung betreffe, übertragen.
Im Kurs werden wir uns nach einer theoretischen Einführung zunächst prototypische Vertreter des Konzeptes anschauen, sodann etwaige Grenzen des Begriffs besprechen, um schließlich auch der Frage nachzugehen, inwiefern ‚Europäische Erinnerungsorte‘ zu konstatieren sind und welchen geschichtspolitischen und identitätsstiftenden Mehrwert sie (im Zeitalter der ‚Euroskepsis‘) haben können. |
Literatur |
Literaturhinweise:
François, Étienne & Schulze, Hagen (Hgg.): Deutsche Erinnerungsorte, Bde. 1-3. München 2001.
Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis Frankfurt/M. 1998.
Sabrow, Martin (Hg.): Erinnerungsorte der DDR, München 2009. |