Kommentar |
Seit der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt 1860 mit seinem immer noch als Standardwerk geltenden Buch „Die Cultur der Renaissance in Italien“ die Renaissance nicht nur als kunstgeschichtliche, sondern auch als kulturhistorische Epoche ins Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit rückte, ist die Faszination für dieses Zeitalter des Aufbruchs und der Neuorientierung, für den von Burckhardt kühn skizzierten „modernen Menschen“, für die Entdeckung des Individuums und sein neues Selbstbewusstsein, für die so lebendig, prunkvoll und farbenprächtig erscheinende Zeit und ihre Protagonisten ungebrochen. Aber gab es diesen Umbruch und Aufbruch am Ende des Mittelalters wirklich so, wie er seit dem 19. Jahrhundert im allgemeinen Bewusstsein verankert ist? Mächtige italienische Familien wie die Borgia und die Medici schlagen in Fernsehserien und Romanen mit „sex and crime“ Millionen in ihren Bann. Die hier geschaffenen populären Mythen prägen unser Bild von der Renaissance mindestens ebenso stark wie die lange von der historischen Forschung tradierte Meistererzählung über diese Zeit am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Das mit modernen wissenschaftlichen Methoden erschlossene Bild der Renaissance ist zwar anders, vielschichtiger und spannungsreicher, aber nicht minder spannend und interessant. Im Seminar sollen die politische, soziale, wirtschaftliche, kulturelle und mentalitätsgeschichtliche Entwicklung der italienischen Staatenwelt vom ausgehenden Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert im Mittelpunkt stehen. Neben Kontinuitäten und schrittweisen und nicht immer gradlinigen Entwicklungen lassen sich dabei auch bahnbrechende und zukunftsweisende Neuerungen aufzeigen. Dazu gehört nicht zuletzt die zunehmende Instrumentalisierung von Kunst, Kultur und Wissenschaft zu Propagandazwecken, durch die ein großzügiges Mäzenatentum entstand, das die heute noch bewunderte Renaissancekunst und -kultur erst ermöglichte. |
Literatur |
Als Lektüre zur Einführung empfohlen:
- Volker Reinhardt: Geschichte Italiens, 5. Aufl. München 2019 (Beck Wissen), bes. S. 7–59.
- Volker Reinhardt: Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur, 4. Aufl. München 2019 (Beck Wissen)
- Volker Reinhardt: Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance, 5. Aufl. München 2013 (Beck Wissen)
- Volker Reinhardt: Die Borgia. Geschichte einer unheimlichen Familie, 3. Aufl. München 2013 (Beck Wissen)
- Roeck, Bernd: Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance, 4. Aufl. München 2018.
- Andreas Tönnesmann: Die Kunst der Renaissance, München 2007 (Beck Wissen)
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