Kommentar |
Die Frage nach dem Privateigentum, d.h. nach dessen Rechtfertigung, Ursprung und Umfang ist nur auf den ersten Blick eine Nebenfrage der Rechts- und Sozialphilosophie. Tatsächlich steht sie jedoch schon seit den frühneuzeitlichen Naturrechtslehren im Mittelpunkt jeder Rechtsauffassung. Denn das Eigentum bezieht sich nicht nur auf den Besitz eines materiellen Gegenstandes, sondern vielmehr im Allgemeinen auf alles, was mir zur Verfügung steht (das lateinische „meum“, das „Meine“). Das Eigentumsrecht ist nicht lediglich ein abstraktes Recht, das eine Person mit ihrem Eigentum unmittelbar verbinden würde, sondern seine Definition hängt immer mit Institutionen und Normen – etwa mit der Verteilungsgerechtigkeit in der Rechtsgemeinschaft – zusammen. Anders gesagt, ist das Eigentumsrecht nie als ein absolutes Recht gedacht worden; auf dessen Bedingungen, Voraussetzungen und Grenzen kommt es daher an. Das Eigentumsrecht hat dementsprechend eine direkte Tragweite nicht nur für den Umfang der individuellen Freiheiten, sondern auch für denjenigen der Wirtschafts- und Sozialrechte, des Notrechts usw. Das Eigentumsrecht entsteht aus der Vermittlung des legitimen Anspruchs auf individuelle Freiheit mit der der Rechtsordnung zugrundeliegenden Gleichheit der Bürger angesicht der Grundrechte. Die neuere Debatte über das Eigentumsrecht und die Verteilungsgerechtigkeit knüpft direkt an die klassischen Diskussion an. Aus diesem Grund werden in diesem Seminar sowohl klassische als auch aktuelle Texte gelesen.
Literatur:
Brandt, Rainer 1974: Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, Stuttgart/Bad-Cannstatt: Frommann-Holzboog.
Brocker, Manfred 1992: Arbeit und Eigentum. Der Paradigmenwechsel in der neuzeitlichen Eigentumstheorie, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Eckl, Andreas / Ludwig, Bernd 2005: Was ist Eigentum? Philosophische Positionen von Platon bis Habermas, München: C.H.Beck.
Munzer, Stephen R. 1990: A Theory of Property, Cambridge: University Press.
Waldron, Jeremy 1990: The Right to Private Property, Oxford: Clarendon Press, 2nd ed. |