Kommentar |
Eine "bürgerliche Virginia" sei sein neues Dramenprojekt: So kündigt Lessing seine "Emilia Galotti" an und markiert damit die dramaturgische Reform weg von der Tradition der heroischen Tragödie hin zum bürgerlichen Trauerspiel. Aber nicht nur Lessing hat den Stoff aufgegriffen. Der Virginia-Stoff aus der römischen Geschichte ist im europäischen Drama des 18. Jahrhunderts sehr präsent. Das verwundert kaum, denn die Geschichte um Machtmissbrauch und um den Vater, der seine Tochter tötet, weil er sie vor der Inbesitznahme als angebliche Sklavin und damit vor der sicheren Vergewaltigung retten will, und um den dadurch ausgelösten Volksaufstand gegen die Tyrannenherrschaft enthält Tugend- und Rechtsfragen, private Tragik und die große Staatsperspektive. Der kontrastive Vergleich verschiedener Bearbeitungen desselben Stoffes bietet die Möglichkeit eines geschärften Blicks auf inhaltliche und perspektivische Verlagerungen und die gewählten Darstellungsformen. Vor dem Hintergrund der großen Theaterreformen um Gottsched und Lessing spiegelt sich in den deutschsprachigen Virginia-Adaptionen insbesondere die virulente Kontroverse um eine bürgerliche Reform der klassizistischen Tragödie. Im Zentrum des Seminars werden folgende Dramen stehen: Patzkes „Virginia” (1755), Lessings „Emilia Galotti” (1772), Bodmers „Odoardo Galotti, Vater der Emilia” (1778), Voigts „Der Fürst als Mensch” (1792) und Ayrenhoffs „Virginia oder Das abgeschaffte Decemvirat” (1790). Lessings „Emilia Galotti” ist als Reclam-Ausgabe im Buchhandel verfügbar, alle anderen Texte werden auf unserer Kursseite in Moodle bereitgestellt. Die Bereitschaft zu semesterbegleitender Lektüre (auch in Frakturschrift) wird vorausgesetzt. |
Bemerkung |
Die Durchführung der Veranstaltung erfolgt, sofern die Lage dies zulässt, in Präsenz. Wer aus gesundheitlichen Gründen auf eine digitale Zuschaltung angewiesen ist, möge sich bitte vor Beginn der Veranstaltung mit der Seminarleiterin in Verbindung setzen. |