Kommentar |
"Autobiographien sind meistens langweilig. Sie erzählen von Dingen, die längst geschehen und, sofern es sich um Erinnerungen halbwegs Prominenter handelt, bereits knapper und unterhaltsamer andernorts nachzulesen sind." So polemisiert der Kritiker Magnus Klaue. Tatsächlich zeichnen sich viele Autobiographien nicht durch ihre pointierte Kürze aus. Vor allem ältere Werke wirken auf heutige Leser langwierig, umständlich und in ihrer Darstellung fremd. Im Gegensatz dazu nähern sich autobiographische Texte der Gegenwart in Darstellung und Inhalt den Rezeptions- und Lebensgewohnheiten heutiger Leser an.
Das Seminar möchte anhand wirkmächtiger autobiographischer Textes die Entwicklung dieser literarischen Gebrauchsform von ihren Anfängen bis zur Gegenwart nachzeichnen; d.h. deren wesentliche Erzählmuster, wiederkehrende Topoi und angewandte Fiktionalisierungsstrategien untersuchen. Um ein grundsätzliches Verständnis der Autobiographie(-forschung) zu gewährleisten, werden zuerst die 'klassischen', normbildenden Autobiographien von Augustinus, Rousseau und Goethe in Auszügen gelesen, außerdem die Aufzeichnungen eines Söldners im Dreißigjährigen Krieg und Karl Philipp Moritz' Anton Reiser, um die Bandbreite autobiographischen Erzählens zu veranschaulichen. Dass sich zeitgenössische Autobiographien schwerlich normativ kategorisieren lassen, zeigt sich abschließend anhand der Werke von Elias Canetti, Thomas Bernhard und Helga M. Novak sowie des von Philippe Lejeune entwickelten Modells des 'autobiographischen Pakts'. |