Karten bilden die Welt ab - oder sollte besser gesagt werden, Karten bilden "eine" Welt ab? Denn auch die modernen, exakt vermessenen kartographischen Darstellungen der Welt sind nicht nur ein einfaches Abbild einer "objektiv vorhandenen" Welt, sondern lassen auf vielfältige Art und Weise Hinweise auf aktuelle mentalitätsgeschichtliche Aspekte einfließen (welche Länder werden z.B. im Zentrum einer Karte abgebildet? welche Auswahl geographischer Namen wurde getrofffen und in welcher Sprache werden diese wiedergegeben? welche Rolle spielt die Farbgestaltung? usw.).
In noch stärkerem Maße sind mittelalterliche Karten Interpretationen der Welt, indem sie bis ins 15. Jahrhundert programmatisch die gesamte Heilsgeschichte abbilden wollen: Mehrere historische Schichten, auch bereits vergangene, werden gleichzeitig mithilfe von Bildelementen dargestellt; es findet eine starke und aussagekräftige Selektion dargestellter Länder und Städte statt; und die Karten werden um eine große Anzahl erklärender und deutender Texte ergänzt. Solche Karten lassen sich ohne die Kenntnis geographischer und sonstiger, z.B. theologischer, Schriften kaum verstehen.
In der Vorlesung wird eine chronologische Auswahl von mittelalterlichen Karten (und Globen) verwendet, um den allmählichen Wandel des Weltbildes / der Weltbilder im Mittelalter nachvollziehen zu können. |