Kommentar |
Britpop wird nach wie vor als genuin britisches Phänomen wahrgenommen. Eine genauere Betrachtung fördert allerdings zutage, dass Britpop mittlerweile ein zutiefst europäische Erscheinung geworden ist. Man denke nur an den deutschen Liedermacher Thees Uhlmann, der als Kind zweier Lehrer dem bildungsbürgerlichen Milieu entstammt, dessen Bühnenpräsenz aber die proletenhafte Aura der Gallagher-Brüder imitiert. Dieser Habitus hat viele Künstlerbiographien in Deutschland und im gesamten Kontinentaleuropa geprägt und ist erst durch Bands wie Oasis salonfähig geworden. Betrachtet man dieses Phänomen auf einer abstrakteren Ebene, wird deutlich, dass der Einfluss von Britpop außerhalb von England neue Möglichkeiten der Identitätskonstituierung mit sich brachte. Der Britpop – ein Kontinuum zwischen Blur, den feinsinnigen Absolventen Londoner Kunsthochschulen und Oasis, den bildungsfernen nordenglischen Arbeiterkindern – ist dabei kein reines Musikphänomen, sondern im überwiegenden Maße eine Attitüde beziehungsweise Pose. Dadurch wird es den Intellektuellen möglich, sich mit Fußball und Springerstiefeln zu beschäftigen, ohne dass ein gesellschaftlicher Rechtfertigungsdruck entsteht.
Ansatz des Kurses soll sein, kurz das Wesen und die Entwicklung von Britpop im Vereinigten Königreich zu skizzieren, primär aber die Einflüsse und interkulturellen Adaptionen auf dem europäischen Festland nachzuzeichnen und kulturwissenschaftlich aufzuarbeiten. |