Kommentar |
Idyllen stehen heute in etwas zweifelhaftem Ruf: sie gelten oft als simple Modellierungen idealisierter Naturräume, die mit der außerliterarischen (i. d. R. nicht idyllischen) Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Idyllen erscheinen als Trugwelten konstruierter Harmonie, die Konfliktsituationen ausweichen, keine Antwort auf erkenntnistheoretisch relevante Fragen geben – kurzum, man hält sie häufig für ‚unrealistisch‘ und langweilig.
Tatsächlich sind Idyllen jedoch nur selten als völlig unbeschwerte Rückkehr zur Natur und zu verlorener Simplizität konzipiert. Die literaturgeschichtliche Entwicklung der Gattung zeigt vielmehr, dass die Idylle seit dem späten 18. Jahrhundert stets erst auf einem empfindlichen Gleichgewicht zwischen einem abgeschlossenen, idyllischen Innenraum und einem offenen, anti-idyllischen Außenraum beruht. Dieses Gleichgewicht erweist sich zunehmend und auf je neue Weise als gefährdet. In der ständigen Spannung von Innen und Außen, von Natur und Kultur, liegt das Potential, das die Gattung der Idylle auch in der Literatur der Moderne noch hat.
Ziel der Lehrveranstaltung ist, die Entwicklung der Gattung anhand der jeweiligen räumlichen Struktur ausgewählter Beispiele nachzuvollziehen und so zu einem weniger thematisch als strukturell motivierten Begriff der Idylle zu gelangen. Behandelt werden sollen charakteristische Werke der deutschsprachigen Literatur (aus der Schweiz, Deutschland und Österreich), der Slavia (aus Rußland, Tschechien und Bulgarien) sowie der US-amerikanischen Literatur. |
Bemerkung |
Mit der Lektüre des Romans Babička von B. Němcová, dem einzigen Text größeren Umfangs (knapp 400 Seiten), sollte frühzeitig begonnen werden.
Vorbesprechung am Do, 19.10.2017, Raum 134, Geb. A 41. Hierbei auch Bekanntgabe dessen, in welchem Raum das Seminar stattfinden wird |