Kommentar |
Warenhäuser sind ein Kind des 19. Jahrhunderts, ihre Väter Männer wie Boucicaut, Selfridge oder Tietz, die Kunden zumindest nach Émile Zola Frauen. Sie entstanden im Umfeld der Industriellen Revolution nach 1850 vor allem in der Textilbranche aus fahrenden Höckerläden und mittelständischen Handelshäusern. Nach frühen Beispielen in Form von überdachten Passagen bildeten sich um 1890 jene „Kathedralen des Konsums” (Woolworth), die bis zum Zweiten Weltkrieg bedeutendstes Symbol einer auf unbegrenztes Wachstum und steten Konsum setzenden Gesellschaft wurden. Nicht nur waren sie oft genug architektonischer und technischer Höhepunkt einer Stadt. Neuerungen wie ein breitgefächertes, hochwertiges Sortiment zu festen Preise, das ausprobiert, sofort bezahlt und hinterher auch wieder umgetauscht werden konnte, trugen zu einer Form von demokratisiertem Kauferlebnis bei, dass Arm wie Reich gleichermaßen anzog. Schattenseiten waren die schlechten Arbeitsbedingungen des Verkaufspersonals in den Häusern und die politisch wie gesellschaftskritisch motivierten Anfeindungen von außen. Nach dem Zweiten Weltkrieg noch Teil und Träger des wirtschaftlichen Aufschwungs in ganz Europa steht es heute durch überkommene Flächennutzung und erfolgreiche Gegenkonzepte (Shop-in-shop, Shopping-Center) vor existenzbedrohenden Herausforderungen.
Die Übung möchte einen breiten Bogen von der wirtschaftlichen Genese über die architektonische Ausformung, der ökonomischen und sozialen Bedeutung der Warenhäuser im 20. Jahrhundert bis hin zu sozialen und Genderaspekten schlagen und dabei die Situation in Deutschland, England und Frankreich fokussieren. Es schließt mit einer Tagesexkursion nach Paris, die am Beispiel die Theorie konkretisieren soll. Prüfungsleistung ist neben der regelmäßigen, aktiven Teilnahme ein Referat von 25 Minuten mit Hand-out. Die Teilnehmerzahl ist wegen der Exkursionsplanung beschränkt.
Literatur: Behn, Helga: Die Architektur des deutschen Warenhauses von ihren Anfängen bis 1933. Köln: Selbstverlag, 1984 (Univ.-Diss. 1984). Haupt, Heinz-Gerhard: Konsum und Handel. Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Göttingen: V & R, 2003. Homburg, Heidrun: Warenhausunternehmen und ihre Gründer in Frankreich und Deutschland oder: Eine diskrete Elite und mancherlei Mythen. In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte JWG, 1992/1, S. 183-219. Lindemann, Uwe: Das Warenhaus. Schauplatz der Moderne. Köln; u.a.: Böhlau, 2015 Marrey, Bernard: Les Grand Magasins. Paris: Picard, 1979. Whitaker, Jan: Wunderwelt Warenhaus. Eine internationale Geschichte. Übersetzt von Birgit Fricke. Hildesheim: Gerstenberg, 2013.
Zur Person: Daniel Reupke, geb. 1977 in Braunschweig, studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte in Braunschweig, Bayreuth, Saarbrücken und Paris. Derzeit beendet er seine Promotion im Bereich Wirtschafts- und Landesgeschichte an der Universität des Saarlandes und arbeitet in einem interdisziplinären Forschungsprojekt am fimt der Universität Bayreuth. |