Wien um 1900: Mit seinem Personal aus Kaffeehausliteraten, schöngeistigen Dandys, müßigen Dilettanten, dämonischen Verführerinnen, „süßen Mädeln”, schwindsüchtigen Schönheiten, kessen Soldaten und narzisstischen Künstlerfiguren ist das politische und kulturelle Zentrum des Habsburger Kaiserreichs als pulsierende Kunstmetropole in die Literaturgeschichte eingegangen. Hinter dem Mythos aber bestimmen die wachsende soziale Not, Massenzuwanderung, der erstarkende Antisemitismus und die politische Unzufriedenheit den Zeitgeist. Das Seminar widmet sich literarischen Schlüsseltexten dieser Zeit, die einerseits den Mythos verdichten, ihn gleichzeitig aber auch als solchen entlarven. Die Texte unterschiedlicher Gattungen und Stilrichtungen zeugen dabei von der Gleichzeitigkeit diverser Stiltendenzen, die mit Begriffen wie Impressionismus, Symbolismus, Décadence, Fin de siècle oder Ästhetizismus literaturwissenschaftlich nur schwer zu fassen sind. Neben den literarischen Texten sollen das ästhetische Selbstverständnis der „Jungen Wiener” sowie Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Wissenschaft, beginnender Psychoanalyse, ausländischen Vorbildern und bildender Kunst beleuchtet werden, die allesamt konstitutiv für das Erscheinungsbild der Epoche sind.
Folgende Texte (u.a.) sind anzuschaffen, sollten möglichst frühzeitig gelesen und sorgfältig vorbereitet werden:
Gotthart Wunberg (Hg.): Die Wiener Moderne. Literatur, Kunst und Musik zwischen 1890 und 1910.
Richard Beer-Hofmann: Der Tod Georgs.
Hugo von Hofmannsthal: Elektra.
Arthur Schnitzler: Reigen. Zehn Dialoge.
Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl.
Leopold Andrian: Der Garten der Erkenntnis.
Wenn vorhanden, ist die Reclam-Ausgabe zu bevorzugen. Eine vollständige Liste der behandelten Primärtexte wird in der ersten Sitzung ausgeteilt. |