Das Hauptseminar setzt sich mit dem in den 1990er Jahren ausgerufenen Genre der ‚Erinnerungsliteratur‘ auseinander – damit sind literarische (auch autobiografische und semifiktionale) Texte gemeint, welche „die zerstörerische Wucht der großen Geschichte in ihrem Niederschlag auf Einzelgeschichten und individuelle Schicksale“ sichtbar machen (A. Assmann). Das verbindende Merkmal dieser Texte liegt zum einen darin, neue Formen der literarischen Erinnerung an den Nationalsozialismus und die Shoah zu erschließen. Zum anderen fragen sie selbstreflexiv nach den Möglichkeiten und Bedingungen eines solchen Erinnerns. Damit nehmen die Texte ausdrücklich Bezug auf aktuelle Erinnerungstheorien und einen Gedächtnisdiskurs, der seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert im interdisziplinären Spannungsfeld von Neurophysiologie und Wahrnehmungspsychologie sowie Geschichts- und Kulturwissenschaft besondere Aufmerksamkeit erfahren hat und der ebenfalls im Seminar erarbeitet wird.
Folgende Texte sind anzuschaffen und sollten möglichst frühzeitig gelesen werden. Eine vollständige Liste der zu lesenden literarischen und theoretischen Texte wird in der ersten Sitzung ausgeteilt.
Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend (1992)
W. G. Sebald: Die Ausgewanderten (1992)
Norbert Gstrein: Die englischen Jahre (1999)
Marcel Beyer: Flughunde (1995)
Günter Grass: Im Krebsgang (2002)
Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders (2003)
Jenny Erpenbeck: Heimsuchung (2008)
Benjamin Stein: Die Leinwand (2010) |