Kommentar |
Sehr gut überliefert, im späteren Mittelalter sehr geschätzt, von der Forschung dann aber bis vor kurzem eher vernachlässigt oder als ‚epigonal‘ geringgeschätzt, ist der wohl im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts gedichtete ›Wigalois‹ eines nur literarisch bezeugten Wirnt von Grafenberg (heute Gräfenberg in Oberfranken, nordöstlich Nürnberg) ein Artusroman ‚der zweiten Generation‘ im doppelten Sinn. Zunächst gehört der Autor zur zweiten Generation von Dichtern mittelhochdeutscher Artusromane, aber auch die Hauptfigur seines Romans ist eine Generation jünger als die herkömmlichen Protagonisten der Artusepik: Nicht eines der Tafelrundenmitglieder selbst, sondern der Sohn eines in der deutschen Literatur vergleichsweise vernachlässigten Artusritters – Gawans – steht in seinem Mittelpunkt. Dieser beweist sich in einer außerordentlich farbenfroh gestalteten Aventiurenreihe im Kampf gegen Zauberei, Riesen, Zwerge, Drachen und Feuerritter und wird Herr über gleich zwei Königreiche. In Anlehnung an die französischen Romane ›Le Bel Inconnu‹ und ›Le Chevalier du Papegau [d.h. „Papagei”, M.R.]‹ sowie an die Artusromane Hartmanns von Aue – mit denen er allerdings das Strukturelement des doppelten Kursus nicht gemeinsam hat – hat Wirnt so eine höchst unterhaltsame Dichtung geschaffen, die in der Studienausgabe der Edition von Johannes Marie Neele Kapteyn mit Übersetzung und Kommentar von Sabine und Ulrich Seelbach seit 2005 (und seit 2014 in zweiter, überarbeiteter Auflage) auch für den Zweck einer Einführung in das Lesen und Übersetzen mittelhochdeutscher Texte im Rahmen des entsprechenden Proseminartyps leicht zugänglich gemacht worden ist. |
Literatur |
Textgrundlage: Wirnt von Grafenberg: Wigalois. Text der Ausgabe von Johannes Marie Neele Kapteyn. Übersetzung und Stellenkommentar von Sabine und Ulrich Seelbach, Berlin/New York 22014.
Vorbereitende Lektüre: Hans-Joachim Ziegeler: Art. ‚Wirnt von Grafenberg‘, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, zweite vollständig umgearbeitete Auflage, Band X, Berlin/New York 1998, Sp. 1252-1267; Hilkert Weddige: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung, München 92017. |