Kommentar |
Lateinische Inschriften sind uns für das gesamte Gebiet des römischen Weltreiches (darunter auch für die einst zum Imperium Romanum gehörenden Gebiete Deutschlands) in so reicher Zahl überliefert wie für kaum eine andere Weltsprache. Neben ihrer unschätzbaren Bedeutung als Zeugnisse für die politische, kulturelle und religiöse Geschichte des Altertums läßt sich an ihnen sehr viel über das „lebendige” Latein ihrer jeweiligen Epoche ablesen, weil sie nicht durch einen jahrhundertelangen, zumeist gar nicht muttersprachlichen Überlieferungsprozeß gegangen sind und damit mannigfachen Verfälschungen unterworfen waren, sondern „eins zu eins” das abbilden, was der Autor / Schreiber sagen wollte. Auf diese Weise lassen sich sprachhistorische Entwicklungen weit besser nachvollziehen als bei der Überlieferung literarischer Texte, die stets einem Normierungs- und Abschleifungsprozeß unterzogen sind. In einem besonders interessanten Fall läßt sich allerdings ein sprachlicher Vergleich mit einem (noch dazu ungemein unterhaltsamen) Werk der kaiserzeitlichen Literatur mit Gewinn anstellen: Titus Petronius (14-66 n.Chr.), arbiter elegantiarum am Hofe Neros und Satiriker, nimmt vor allem in seiner Cena Trimalchionis die stark umgangssprachliche und nach den Maßstäben der an der ciceronianischen "Hochsprache" orientierten Grammatiker fehlerhafte Diktion des Freigelassenenmilieus aufs Korn. Hierbei sind natürlich genusbedingte satirische Übertreibungen und Verzerrungen zu beachten.
In gemeinsamer Lektüre und exegetischer Interpretation sollen vor allem unter den genannten Gesichtspunkten Partien aus diesem Werk gelesen und die besonders instruktiven Inschriften und Graffitti aus Pompeii behandelt werden, ebenso auch andere interessante epigraphische Zeugnisse, an denen es einen fortdauernden Zuwachs gibt (z.B. die erst kürzlich entdeckten Fluchtäfelchen aus dem Mater-Magna-Heiligtum in Mainz, aber auch auf unterschiedlichen Materialien erhaltene offizielle und private Briefe etc.). |
Literatur |
Texte zu den Inschriften und eine ausführliche Bibliographie werden unter MS Teams zur Verfügung gestellt
Ausgaben und Texte zu Petron: Petronius, Satyricon reliquiae, ed. Konrad Müller (5. Aufl. Stuttgart / Leipzig 2003; kritische Edition); Petron, Satyrica / Schelmenszenen. Lateinisch-Deutsch von Konrad Müller und Wilhelm Ehlers (5. Aufl. München 2004); Peter Habermehl: Petronius, Satyrica 79-141. Ein philologisch-literarischer Kommentar (bisher 3 Bde.; Berlin 2006 ff.)
einführende Darstellungen zum umgangssprachlichen Latein: Johann Baptist Hofmann: Lateinische Umgangssprache (4. Aufl. Heidelberg 1978); Veikko Väänänen: Introduction au latin vulgaire (3. Aufl. Paris 1981) |