Kurzkommentar |
"Da bildete Gott, der HERR, den Menschen, [aus] Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele." (Gen 2,7)
„Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können.” (Mt 10,28)
Die Grundfrage nach dem Zusammenhang der körperlichen und geistigen Dimension des Menschen ist seit Jahrtausenden brisant. Wie verhalten sich Seele und Leib zueinander? Damit fragt man nicht bloß nach der Konstitution des Menschen, man fragt unter anderem auch nach seiner Eigenart gegenüber seiner Umwelt, nach seiner Persönlichkeit, nach der Wertschätzung des irdischen Daseins, nach seinen Grenzen, Geburt und Tod.
Prominent ist das dualistische Konzept des Menschen: Man hält die immaterielle Seele, die vom Körper unterschieden wird und selbstständig existiert, für den eigentlichen Sitz der Persönlichkeit. Zunehmend wurden jedoch Stimmen laut, die diese Vorstellung infrage stellten. Häufig wird darum der Seelenbegriff gänzlich abgelehnt. So ist etwa der Philosoph Paul Churchland (*1942) überzeugt, der Glaube an die Existenz einer Seele werde früher oder später als antiquierte Vorstellung aus unserem Sprachgebrauch verschwinden. Wer an dieser überholten Vorstellung festhalte, ähnele denjenigen, die zur Zeit Galileis daran glaubten, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei.
Für das Hauptseminar ergeben sich verschiedene Fragestellungen und mögliche Untersuchungsgegenstände:
Grundlagen: Wie ist das Verhältnis Seele-Leib nach dem AT zu bestimmen? Wie unterscheiden sich diese Vorstellungen von den antiken philosophischen Vorstellungen? Wie verändern sich die alttestamentlichen Konzepte bei der Übertragung ins Griechische (LXX und NT)? Rezeption: Wie wird innerhalb der kirchlichen Lehrtradition (Kirchenväter, Reformation) das Leib-Seele-Problem behandelt? Konzepte der Gegenwart: Welche Rolle spielt das Leib-Seele-Problem aktuell in der Philosphie, der Medizin und insbesondere der Theologie? Welche Lösungsvorschläge gibt es? Darf man noch von der Seele sprechen? Eschatologische Perspektive: Welche Bedeutung hat die Vorstellung von der Konstitution des Menschen für die Frage nach der Auferstehung und dem Jenseits? |
Literatur |
- Gestrich, Christof, Die menschliche Seele. Hermeneutik ihres dreifachen Wegs, Tübingen 2019.
- Gestrich, Christof, Die Seele des Menschen und die Hoffnung der Christen. Evangelische Eschatologie vor der Erneuerung, Frankfurt am Main 2009.
- Halfwassen, Jens, Was leistet der Seelenbegriff der klassischen griechischen Metaphysik?, in: Bernd Janowski/Christoph Schwöbel (Hg.), Gott – Seele – Welt. Interdisziplinäre Beiträge zur Rede von der Seele, Neukirchen-Vluyn 2013, 44–55.
- Hermanni, Friedrich, Über das Verhaltnis von Leib und Seele: eine anthropologische Konstellation, in Bernd Janowski/Christoph Schwöbel (Hg.), Gott – Seele – Welt. Interdisziplinäre Beiträge zur Rede von der Seele, Neukirchen-Vluyn 2013, 56–70.
- Janowski, Bernd, Die lebendige naepes. Das Alte Testament und die Frage nach der 'Seele', in: ders./Christoph Schwöbel (Hg.), Gott – Seele – Welt. Interdisziplinäre Beiträge zur Rede von der Seele,Neukirchen-Vluyn 2013, 12–43.
- Joest, Wilfried, Dogmatik II. Der Weg Gottes mit dem Menschen, dort: Die Anthropologie in der kirchlichen Lehrüberlieferung (S.15–29).
- Rösel, Martin, Der hebräische Mensch im griechischen Gewand. Anthropologische Akzentsetzungen in der Septuaginta, in: B. Janowski/K. Liess, (Hg.) Der Mensch im alten Israel. Neue Forschungen zur alttestamentlichen Anthropologie, HBSt 59, 2009, 69-92.
- Schoberth, Wolfgang, Einführung in die theologische Anthropologie, Darmstadt 2006.
- Tress, Wolfgang, Das so genannte Leib-Seele-Problem, in Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie 57 (2011), 261-274.
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