Kommentar |
Mit seiner These, dass Kindheit als eigenständige, von der Erwachsenenwelt getrennte Lebensphase nicht immer schon gegeben war, sondern erst im 16. und 17. Jahrhundert entstand, stieß der französische Historiker Philippe Ariès in den 1960er Jahren ein ganz neues Forschungsfeld an. Das (emotionale) Verhältnis Erwachsener zum Kind und seiner Lebenswelt, die Darstellung von Kindheit in der Kunst sowie die Sozialisierung von Kindern in der Schule gerieten so in den Fokus der Forschung.
Wie und unter welchen historischen und sozialen Bedingungen Kindheit und Aufwachsen in den 1960er Jahren in Frankreich ins Interesse der Sozial- und Geschichtswissenschaft rückten und welche Folgen dies hatte, werden wir im Seminar gemeinsam erarbeiten. Wir werden erstens ausgehend von Philipe Ariès‘ Geschichte der Kindheit (L’enfant et la vie familiale sous l’ancien régime, 1960) die Entstehung der Kindheitsgeschichte, ihrer Forschungsfragen, Kontexte und Rezeption in Frankreich und Deutschland historisch nachvollziehen. Zweitens werden wir uns der (kritischen) Aktualisierung dieser Forschungsperspektiven in der heutigen Geschichtswissenschaft widmen und uns mit aktuellen Forschungsthemen wie Kindheit und Geschlecht, Kindheit und Gewalt sowie Kindheit und Nationalstaat befassen.
Im dritten Teil des Seminars suchen die Seminarteilnehmer:innen vor diesem theoretischeren Hintergrund in Gruppenprojekten eigene Gegenstände und Quellen und erarbeiten gemeinsam, welche Geschichten der Kindheit sich an diesen erzählen lassen. |