Auf das Rationale der Aufklärung und das Rationelle der beginnenden Moderne reagierte eine Generation junger Schriftsteller und Intellektueller um 1800 mit einer alternativen Idee: Die Welt sollte ihren verloren geglaubten Zauber wiedererlangen. Das Vergangene, vor allem die als ideal verstandene Kultur des Mittelalters, wurde Maß und Muster für Kommendes und Zukünftiges. Auch die Erfahrungen von Fremdheit und Vereinzelung sollten zurückgenommen werden. In diesem Sinne erklärte der Dichter Novalis (1772 bis 1801): "Die Welt romantisieren heißt, sie als Kontinuum wahrzunehmen, in dem alles mit allem zusammenhängt. Erst durch diesen poetischen Akt der Romantisierung wird die ursprüngliche Totalität der Welt als ihr eigentlicher Sinn im Kunstwerk ahnbar und mitteilbar."
Wie keine der ihr nachfolgenden Epochen war die Romantik nicht auf ausgewählte künstlerische Gattungen beschränkt, sondern umfasste die Literatur und die Musik, die Bildende Kunst und die Architektur, die Philosophie und schließlich auch die Politik. Zudem war sie keine nationale Erscheinung, sondern prägte sowohl Europa als auch die Vereinigten Staaten. Vor allem aber übten romantische Denkmuster, Wert- und Urteilskategorien einen bedeutenden Einfluss auf Kultur und Politik im 19. und 20. Jahrhundert aus. Letztlich sind ihre Verlaufsformen auch noch in unserer Gegenwart auszumachen.
Das Hauptseminar beschäftigt sich einerseits mit literaturtheoretischen Positionen der frühen bis späten Romantik, entwickelt exemplarische Deutungszugänge zu ausgewählten Erzählungen und diskutiert verschiedene Ansätze ihrer literaturgeschichtlichen Einordnung. |