Sind Hitchcock, Kubrick und Tarantino verloren?
Nach über 100 Jahren Kinogeschichte befindet sich die Geschichte der Kinematographie wieder an einem Wendepunkt: Gestern noch Weltstandard und Format für Generationen, ist das Medium Film, der Trägerstreifen mit Einzelbildern und Tonspur, zur Zeit rasant im Verschwinden begriffen. 2011 gab es weltweit erstmals genauso viele Kinos mit herkömmlicher 35mm-Filmtechnik wie digitaler Projektion. Schon in einigen Jahren werden Klassiker auf Film, also jenem Medium, für das sie konzipiert wurden, nur noch in wenigen kleinen Kulturkinos oder in Museen werkgetreu zu sehen sein - ein großer Teil des kulturellen Erbes, das über 100 Jahre lang auf dem Träger Film entstanden ist, steht vor der Versenkung in Archiven und damit vor dem Vergessen. Gleichzeitig beschäftigen sich Künstler in ihren Installationen mit der Materialität eines verschwindenden Mediums.
Was passiert also derzeit in einer der spannendsten und tiefgreifendsten Umwälzungen der Kinogeschichte, wenn alles digital wird und im Kino statt Filmen etwa Opern- oder Fußballübertragungen zu sehen sind? - Eine kulturelle, technische, ökonomische, aber auch ästhetische Revolution ist im Gange, deren weitreichende Auswirkungen unter Einbezug von Exkursionen an die Schauplätze des Mediums auch durch die Studierenden des Bachelor Optionalsbereichs untersucht werden sollen.
Leitfragen (Auswahl):
Welche Veränderungen bringt die Digitalisierung des Kinos für die Zuschauer, die Produzenten und die Vorführer von Filmen?
Welche Filme (Klassiker und Gegenwartskino) werden wir in einigen Jahren noch sehen können?
Wie wird sich die deutsche Kinolandschaft durch den Wandel verändern?
Wie gehen unterschiedliche europäische Länder, wie USA, Indien, Japan, China (Weltkino) damit um?
Welche Technik steckte bisher im Kino (35mm-Film), welche neue Technik (DCP) ersetzt diese?
Welche medienpolitischen Aufgaben erwachsen aus der aktuellen Umbruchsituation?
Wer bezahlt die Rettung des Filmerbes?
Neben der intensiven theoretischen Beschäftigung mit dem Medium Film und seiner Geschichte (u.a. Etablierung von Standards und Formaten, Einsatz unter praktischen/künstlerisch-ästhetischen Aspekten), bietet das Seminar nicht nur in gewohnter Form eine ergänzende Filmreihe in einem kooperierenden Kino in räumlicher Nähe der Universität des Saarlandes an, sondern wird auch durch einen Exkursionstag in das IMAX Dome Filmtheater Speyer und das Filmtheater Schauburg Karlsruhe ergänzt werden. Dort erleben die Studierenden in einem Eventkino auf 1.000 Quadratmeter Kuppelleinwand und einem Traditionshaus auf einer der letzten erhaltenen Cinerama-Großbildleinwände Deutschlands das weltgrößte Filmformat 70mm. Eine Seminarziel wird es folglich sein, das Medium Film und sein Verschwinden vor dem Hintergrund der Digitalisierung des Kinos in seiner Vielgestalt (Formate, Einsatzmöglichkeiten) kennenzulernen. |