Kommentar |
Mit der „Querelle des anciens et des modernes“ im Frankreich des ausgehenden 17. Jahrhunderts wurde erstmals die bis dato selbstverständliche Orientierung literarischer Produktionen an der antiken Literatur mit ihren mythischen Stoffen nachhaltig in Frage gestellt. Trotz der europaweiten Beachtung der ‚Querelle’ haben die Figuren der griechischen und römischen Mythologie zu keiner Zeit ihre Bedeutung als Bezugsgröße von Dichtung ganz verloren. Ausgerechnet Lessings Drama „Miss Sara Sampson“, mit dem im Deutschland der Aufklärung die moderne Gattung des bürgerlichen Trauerspiels eingeführt wurde, lässt sich auch als eine stringent komponierte Aktualisierung der antiken Medea-Tragödie lesen (mit dezidierten Bezügen sowohl zur Version des Euripides als auch der Senecas). Zentrale Werke von Sturm und Drang, deutscher Klassik und Romantik sind nach Figuren der antiken Mythologie benannt, so Goethes „Prometheus“, Goethes „Iphigenie auf Tauris“ und Kleists „Penthesilea“. Noch das 20. Jahrhundert hat kanonische Werke mit hintergründigen Referenzen zur antiken Mythologie hervorgebracht wie Thomas Manns „Der Tod in Venedig“ oder Max Frischs „Homo faber“. Die hier zitierten sechs Werke der deutschen Literatur mit teils expliziten, teils impliziten Bezügen zur antiken Mythologie wollen wir vor allem über Vergleiche mit ihren jeweiligen Prätexten interpretieren. Fragen nach möglichen Funktionen des Mythen-Rekurses im Kontext sowohl der jeweiligen literarhistorischen Epoche als auch der Biographie des jeweiligen Autors ebenso wie nach möglichen anthropologischen Konstanten sollen ebenfalls Berücksichtigung finden.
Leistungsanforderungen: regelmäßige und aktive Teilnahme; mündliche Prüfung am Ende des Semesters |