Kommentar |
Karl Popper ist vermutlich der einflussreichste Wissenschaftsphilosoph des 20. Jahrhunderts. Niemand hat das Nachdenken über das, was Wissenschaften sind und welche Rolle ihnen in einer modernen Gesellschaft zufallen (sollten), so nachhaltig geprägt wie er. Seine vehemente Kritik an der für lange Zeit als beinahe selbstverständlich akzeptierte Annahme, dass das Wesen der empirischen Wissenschaften in der Methode der Induktion zu sehen ist, wird noch immer intensiv diskutiert. Sein konstruktiver Vorschlag, die induktive Methode durch die der Falsifikation zu ersetzen, dergemäß die Aufgabe der Wissenschaft darin besteht, möglichst riskante Hypothesen aufzustellen, die dann an der Erfahrung und mittels Experimenten geprüft werden können, ist für viele Wissenschaftler und Nicht-Wissenschaftler bis in unsere Tage hinein die definitive Antwort auf die Frage danach, was gute Wissenschaft ist und wie sie sich von den verschiedenen Arten von Pseudo-Wissenschaften abgrenzen lässt.
Im Rahmen dieses Seminars sollen die wichtigsten Aspekte von Poppers Wissenschaftsphilosophie studiert und diskutiert werden. Dabei wird sich gewiss zeigen, dass manches von dem, was man Popper zuzuschreiben pflegt, nicht unbedingt der von ihm vertretenen Position gerecht wird, die oftmals wesentlich subtiler ist, als es viele Popperianer zu akzeptieren gewillt sind.
Als Textgrundlage dienen uns Ausschnitte aus Poppers wissenschaftstheoretischem Hauptwerk, der "Logik der Forschung", sowie verschiedene kürzere Texte zu ausgewählten Aspekten seiner Wissenschaftsphilosophie. Dabei werden wir uns u.a. mit den folgenden Themen befassen: Kritik an der induktiven Methode, Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft, Falsifikationismus, die empirische Basis, Fortschritt in den Wissenschaften, Wahrheit und Wahrheitsnähe, wissenschaftlicher Realismus.
Popper war jedoch nicht nur ein bedeutender Wissenschaftsphilosoph. Er war vor allem auch ein Aufklärer, der über den Zustand der Gesellschaft und insbesondere über das Verhältnis von Individuum und Staat intensiv nachdachte und schrieb. Das wohl bekannteste Produkt seiner Beschäftigung mit solchen sozialphilosophischen Problemen bildet sein Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde". Um unser Bild von Poppers Philosophie zu vervollständigen, werden wir am Ende des Seminars einige kürzere Ausschnitte aus diesem Werk lesen. Dabei wird sich zeigen, dass interessante Bezüge bestehen zwischen Poppers Wissenschaftsphilosophie und seiner Sozialphilosophie.
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