Kommentar |
Vor zweihundert Jahren wurde am 22. Juni, vier Tage nach der Schlacht von Waterloo, von den Kammern Napoleons vierjähriger Sohn zum Kaiser erhoben. Bei seiner Geburt am 20. März 1811 mit dem Titel „König von Rom" ausgestattet, war der Thronerbe vom ersten Tag an Gegenstand einer kaiserlichen Propaganda, die an die Antike ebenso wie an das Mittelalter anknüpfte, während das höfische Zeremoniell, mit der das Kind umgeben wurde, sich eng an das Versailler Vorbild aus der Zeit des Absolutismus anlehnte. Die Krönung des Sohnes in Rom hatte der Kaiser ebenso bereits anvisiert wie den Bau eines gigantischen Palastes auf dem Hügel von Chaillot, als das Scheitern des Russlandfeldzuges und in seiner Folge der in Napoleons Abdankung im April 1814 besiegelte Zusammenbruch seiner Herrschaft das Ende dieser Pläne bedeutete. Weder die Alliierten - allen voran England - noch die provisorische Regierung in Paris wollten eine Regentschaft für den minderjährigen Kaisersohn. Seine Mutter, Kaiserin Marie-Louise, der die Alliierten das Herzogtum Parma sowie Piacenza und Guastalla übertragen hatten, führte ihn mit nach Wien. Nach Napoleons „Herrschaft der Hundert Tage", denen abermals eine militärische Niederlage ein Ende bereitet hatte, wurde, anders als im Jahr zuvor, eine Regentschaft für den mehrheitlich proklamierten Napoleon II. durchaus als Alternative angesehen, doch die Rückkehr Ludwigs XVIII. aus seinem kurzzeitigen Exil am 8. Juli 1815 nach Paris schuf vollendete Tatsachen, ohne daß eine förmliche Absetzung Napoleons II. erfolgt wäre. Dieser lebte fortan am Hofe seines Großvaters Kaiser Franz I., der ihm die Erziehung eines österreichischen Erzherzogs angedeihen ließ und ihm 1818 den Titel eines Herzogs von Reichstadt verlieh und aus böhmischen Ländereien ein Majoratserbe einrichtete, da ihm aufgrund starker Bedenken der Großmächte ein zunächst verbrieftes Nachfolgerecht in Parma im Juni 1817 definitiv entzogen worden war. Auf Sankt Helena hatte der verbannte Kaiser eine spätere Herrschaftsnachfolge seines Sohnes propagandistisch vorbereitet, und in der Tat war während der Julirevolution 1830 auch eine bonapartistische Gruppierung aktiv. Im selben Jahr wurde der Herzog von Reichstadt im neugegründeten Königreich Belgien sowie in Polen als Thronkandidat gehandelt. Zu diesem Zeitpunkt kursierte bereits in Frankreich die Legende vom „gefangenen Adlerjungen in Wien". Indessen Napoleons Sohn sich zielstrebig einer militärischen Ausbildung widmete, war er Gegenstand dilettantischer bonapartistischer Verschwörungen und diente Metternich als diplomatisches Druckmittel gegenüber König Louis-Philippe. Im Alter von nur 21 Jahren erlag der Herzog von Reichstadt in Schönbrunn am 22. Juli 1832einem Lungenleiden und wurde nun endgültig Teil der napoleonischen Legende, deren Nutznießer letztendlich Louis-Napoleon wurde. Vergeblich bemühte sich Napoleon III., der mit der Wahl der Ordnungszahl den Ereignissen vom 22. Juni 1815 Rechnung trug, um eine Überführung der sterblichen Überreste seines Cousins nach Paris. Erst im Dezember 1940 (hundert Jahre nach Rückführung der Gebeine Napoleons I. von Sankt Helena) fand eine Translatio von der Wiener Kapuzinergruft in den Pariser Invalidendom statt - auf Anordnung Adolf Hitlers als versöhnliche Geste gegenüber dem besiegten Land gedacht.
Aktenmaterial, diplomatische und private Korrespondenzen, zeitgenössische Memoiren, aber auch literarische Zeugnisse der sich um die Person Napoleons II. rankenden Legende werden der Übung zugrunde gelegt.
In der ersten Sitzung wird auf Wunsch eine methodologische Einführung zum Umgang mit fremdsprachlichen Texten (in der Hauptsache grammatikalische, lexikalische und stilistische Probleme, sprachgeschichtliche Entwicklung, Hilfsmittel) angeboten. |
Bemerkung |
Die Anmeldung erfolgt zusätzlich durch Einschreibung in eine Teilnehmerliste in der ersten Sitzung.
Der Erwerb eines Scheins setzt den regelmäßigen Besuch der Übung sowie einen in der vorletzten Woche der
Vorlesungszeit zu liefernden schriftlichen Leistungsnachweis voraus.
Für Studierende, die noch den Nachweis von Kenntnissen in einer modernen Fremdsprache erbringen müssen, findet in der letzten Vorlesungswoche montags von 12 bis 14 Uhr in Raum 3.19 eine Klausur (Übersetzung eines Quellentextes ins Deutsche) in der von ihnen ausgewählten Sprache statt. Als Hilfsmittel sind zweisprachige (auch elektronische) Wörterbücher, Grammatiken und Konjugationstabellen zugelassen. Um Anmeldung auf dem Sekretariat bis spätestens zwei Wochen vor diesem Termin wird gebeten. |