Kommentar |
Genaue Termine:
Vorbesprechung: Mo., 27.4. 14-16 Uhr 1. Block: Fr., 12.6. 13- 20 Uhr 2. Block: Mo., 27.7., 14-20 Uhr 3. Block: Di., 28.7. 10-20 Uhr
Die im 19. Jahrhundert von dem Turiner Arzt Cesare Lombroso begründete Kriminalanthropologie ging von der Vorstellung aus, dass Verruchtheit und kriminelle Verirrungen ihre Zeichen in die Haut, den Blick und die Kleidung schreiben. Haut und Physiognomien werden von einem Netz von Bedeutungszeichen überzogen gedacht, die es entsprechend zu entziffern gilt, um den „geborenen Verbrecher“ zu identifizieren. Körpervermessung, die Analyse von Schädel, Stirn, Nase, Mund, Kinn und der Körpertätowierung wurden zur Grundlage einer neuen kriminalistischen „Ausspähkunst“.
Das Seminar will sich dem heiklen Aspekt widmen, dass dabei nicht durchschaut wurde, dass der „geborene Verbrecher“ selbst das Produkt von Kodierungen war. Die frühe Kriminologie erlag dem Irrtum, dass sie die Zuschreibung von Merkmalen mit deren Dechiffrierung verwechselte.
Die Kunstgeschichte hat sich neuerdings verstärkt und im Verbund mit der Ethnologie der Zeichenlehre von (sozialen) Körpern zugewandt. Das Seminar ist insofern kulturwissenschaftlich ausgerichtet, als es Fragen und Probleme der Anthropologie, Kriminologie und Fotografiegeschichte zusammendenkt.
Im Rahmen der Veranstaltung wird der Dokumentarfilm The Innocents (2009) der US-amerikanischen Künstlerin Taryn Simon gezeigt, der ihre aktuelle Fotoausstellung im Jeu de Paume in Paris begleitet. Der Film porträtiert zu unrecht verurteilte US-Bürger und thematisiert den Zweifel an der Beweiskraft von Bildern. |
Literatur |
Peter Becker, Physiognomie des „Bösen“. Cesare Lombrosos Bemühungen um eine präventive Entzifferung des Kriminellen, in: Der exzentrische Blick. Ein Gespräch über Physiognomik, hrsg. von Claudia Schmölders, Berlin 1996, S. 163-186.
Susanne Regener, Fotografische Erfassung. Zur Geschichte medialer Konstruktionen des Kriminellen, München 1999. |