Kommentar |
Das Mittelmeer hält den traurigen Rekord, bis heute eines der am stärksten verschmutzten Meere der Welt zu sein. Jedes Jahr werden mehr als 600.000 Tonnen Plastik ins Meer gespült, hinzu kommen weitere Verschmutzungen des Wassers, der Luft und der Küstengebiete. Der Mittelmeerraum vereint viele Fragen und Herausforderungen der Globalisierung in sich. Er ist mit neuen geopolitischen, sozioökonomischen und ökologischen Ungleichgewichten konfrontiert, ist auch ein wichtiger Ort des Handelsverkehrs, ein Knotenpunkt der Migration und ein begehrtes Reiseziel. Seit den 1960er Jahren hat das Mittelmeer, nicht zuletzt deshalb, bis dahin unbekannte physische Angriffe erlitten.
Die Herausforderung, die Umwelt dieses Meeres und der Küstenländer an seinem Rand zu erhalten, ist gewaltig, dessen ist sich die internationale Gemeinschaft bewusst. Dieses Meer könnte zwar zu einem Laboratorium für Umweltlösungen von morgen werden. Aber weit über die Umweltproblematik hinaus ist die Verschmutzung des Mittelmeers ein Sinnbild für das, was man als "Rückkehr des Verdrängten" bezeichnen könnte, d.h. für das Unterschwellige, das unweigerlich wieder auftaucht und unsere zeitgenössischen westlichen Gesellschaften einholt und sie zwingt, sich damit auseinanderzusetzen, wenn sie die erwähnte Herausforderung annehmen wollen.
Im Seminar wird also hinterfragt, inwiefern das "Verdrängte", d.h. der Abfall und das, was ihm zugrunde liegt, Ausdruck unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft ist. Vor allem aber werden die verborgenen, bzw. unterdrückten Folgen unserer Lebensweise und Beziehungen in Bezug auf geopolitische, ethische und rechtliche Konsequenzen angesichts der territorialen Verschiebungen des Abfalls entlang der z. T. kolonialen Geografien des Mittelmeers hinterfragt.
Das "Verdrängte" als strukturierendes Konzept wird es ermöglichen, Texte und Filmdokumente über Kunst, Reisen, Ethik, Rechtsprechung oder auch geografische oder politische Aspekte im Zusammenhang mit der Verschmutzung des Mittelmeers zu behandeln. |