Kommentar |
Um 200 v. Chr. verfasste Plautus «Die Kriegsgefangenen». Dieses «Musiktheater» setzt sich aus insg. 1.208 Versen zusammen, von denen nur 359 Verse (in iambischen Senaren) gesprochen werden. Neben den gesungenen Versen besteht die Mehrzahl der Verse aus trochäischen Septenaren, die höchstwahrscheinlich zu der musikalischen Begleitung der tibiae d.h. einer Doppelflöte rezitiert wurden. Das Werk weist einen subtilen philosophierenden Ton auf. Zahlreiche moderne Kritiker stimmen mit der Feststellung des Epilogs überein, dass in diesem Stück «die Guten besser werden» (1034 ubi boni meliores fiant). Der aus anderen plautinischen Komödien bekannte humorvolle Stoff fehlt. Beschimpfungen (V. 56), abenteuerliche Liebschaften und Stammcharaktere wie der Kuppler (leno), die Hetäre (meretrix) oder der prahlende Offizier (miles gloriosus) kommen in dieser «dark comedy» nicht vor (V. 57-58). Das Element der Farce wird auf die Figur des Schmarotzers (parasitus) Ergasilus reduziert.
Im Prolog wird das für eine Komödie unübliche Sujet hervorgehoben, nämlich der Krieg zwischen den beiden griechischen Städten Ätolien und Elis (V. 59), was jedoch lediglich als Hintergrund der Handlung dient. Der Zuschauer wird bereits in der Eröffnung des Stückes mit der grausamen Realität der Versklavung konfrontiert; zwei Kriegsgefangene, Philokrates und sein Sklave Tyndarus, sind in schweren Fesseln auf der Bühne zu sehen. Die Loyalität (fides) zwischen Herren und Sklaven ist beispiellos. Tyndarus rettet seinen Herren, indem er ihm ermöglicht in die Heimat zurückzukehren, während er somit eine harte Strafe riskiert. Philokrates kommt wieder, um Tyndarus vor der Gefangenschaft zu retten. Die wahre Identität des Letzteren wird offenbart: er ist der schon als Kind verschleppte und in die Sklaverei verkaufte Sohn des neuen Herren aus Ätolien. Darauf folgt eine Wiedererkennungsszene (Anagnorisis) zwischen Vater und Sohn. Der versklavte Tyndarus wird befreit. Hingegen wird der Sklave, der ihn damals entführte, gefesselt. Trotz der glücklichen Entwicklung der Handlung ruft die Wechselhaftigkeit des menschlichen Schicksals eine «bittere» Atmosphäre hervor. Mit Recht spricht der Prologsprecher von einer «Tragödie im komischen Kostüm» (V. 61-62). Der Kunstkritiker und Dramatiker Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) preist dieses Werk als «das vortrefflichste Stück, welches jemals auf den Schauplatz gekommen ist.» (in: Kritik an Captivi des Plautus, 1750).
Über die grammatisch-syntaktische Erklärung hinaus werden wir den Text gemeinsam übersetzen und interpretieren sowie die Frage behandeln, inwiefern Plautus seine Sklavencharaktere realistisch gestaltet und inwiefern er diese an die Utopie der Bühne adaptiert.
ACHTUNG: a) Ein Vokabular sowie deutsche und englische Übersetzungen werden den Studierenden per E-mail im Voraus zugeschickt und auf Moodle hochgeladen.
b) Aus den insg. 14 Textstellen müssen für die Klausur nur entweder die Textstellen 1-6 oder nur Textstellen 7-12 wiederholt werden.
Textauswahl: 1) 1-20, 2) 21-41, 3) 42-62, 4) 63-83, 5) 84-104, 6) 105-125, 7) 126-146, 8) 147-167, 9) 168-194 -194, 10) 385-404, 11) 659-679, 12) 838-858, 13) 930-950, 14) 951-971, 15) Präsenzklausur (Übersetzung einer Textstelle, entweder aus den Textstellen 1-6 oder 7-12).
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Literatur |
Text (online): https://www.thelatinlibrary.com/plautus/captivi.shtml Deutsche Übersetzungen & Kommentare: - Plautus, Captivi (Die Kriegsgefangenen) - Lustspiel in fünf Akten, Verlag: Philipp Reclam Verlag, Stuttgart, 1965 - Plautus, Komödien Bd. 2, Bacchides, Captivi, Casina, Cistellaria, Darmstadt : Wiss. Buchgesellschaft 2007, lat./deutsch, übers. von P. Rau (Klass. Philologie PLAU 1 2150:2)
Deutsche online-Übersetzung: https://www.projekt-gutenberg.org/plautus/captivi/captivi.html Englische online-Übersetzung: http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A1999.02.0096%3Aact%3D1
Englischer Kommentar: - Lindsay, W. M., The Captivi of Plautus, (with Text, Introduction & Apparatus Criticus), W. Heffer & Sons, Cambridge 1906, repr. 1961
Ausgewählte Sekundärliteratur (fakultativ zum Weiterlesen): - Richlin, Amy, Slave Theater in the Roman Republic, Plautus and Popular Comedy, Cambridge UP, Cambridge/ N. York/ Port Melbourne/ New Delhi/ Singapore, 20171, 2019 (first paperback edition), (Klass. Philol. RICHLIN 8-10 / Universitätsbibl. 2020-1794/ Online-Ressource, Zugriff nur aus dem Universitätsnetz) - Hollmann, Elisabeth, Wie der Prolog dasselbe Motiv komisch und spannend wendet, in: Hollmann, E., Die plautinischen Prologe und Ihre Funktion, Zur Konstruktion von Spannung und Komik in den Komödien des Plautus, Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 7, De Gruyter, (Diss. Bamberg 2014), Berlin/Boston 2016, 196-214 (Online Ressource, Zugriff zum Volltext aus dem Universitätsnetz) - Maurach, Gregor, Anmerkungen zu Plautus’ Captivi, in: Hermes 139 (2011), H. 4, Franz Steiner Verlag, S. 431-42 (https://www.jstor.org/stable/23067344 ) - Marshall, C. W., The Stagecraft and Performance of Roman Comedy, Cambridge UP, Cambridge 2006, S. 27-28 (Klass. Philol. MARSHAL 20-5) - McCarthy, Kathleen, Slaves, Masters and the art of authority in Plautine Comedy, Princeton, NJ, Chichester: Princeton UP, 2004 (Online Ressource) - Peter Kruschwitz, Brynmawr-Review von Benz, Lore/ Lefèvre, Eckard (Hrsg.), Maccus barbarus, 1999-11-8 (https://bmcr.brynmawr.edu/1999/1999.11.08/ ) - Lefèvre, Eckard, Plautus’ Captivi oder Die Palliata als Prätexta, in: Benz, Lore/ Lefèvre, Eckard (Hrsg.), Maccus barbarus: Sechs Kapitel zur Originalität der Captivi des Plautus, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1998, 9-50 (Online Ressource / Klass. Philol. BENZ 50-5 / Universitätsbibl. 99-7365) - Vogt-Spira, Gregor, Sind die Captivi eine Fortuna-Komödie, in: Benz, Lore/ Lefèvre, Eckard (Hrsg.), Maccus barbarous (s.o.), 1998, 151 ff. - Thalmann, W. G., Versions of Slavery in the Captivi of Plautus, Ramus 25, 1996, 112-45 - Agnew, M. E., Lessing’s Critical Opinion of the Captivi of Plautus, The Classical Weekly 39, 1945, 66-70 (https://www.jstor.org/stable/4342188 )
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Zielgruppe |
Diese Lektüre-Übung richtet sich an Studierende, die sich für die Studiengänge MASTER (Module KP=M5 Sprache u. Grammatik, KP-M2 Altertumskunde I), BACHELOR (inkl. Optionalbereich, Teilbereich 5, WP-Modul 2, Modulelement: Sprache u. Literatur) oder LEHRAMT (Latein LAG, LS1+2, Sprache u. Grammatik I, Literatur I, Sprache u. Grammatik II, Literatur III) interessieren. Genauer gesagt: - an diejenigen, die HOK oder Angewandte Kulturwissenschaften studieren (A3 Basismodul 1/ Lektüreübung oder Kulturwissenschaftlicher Kernbereich, Orientierungsmodule, Antike Sprache, Kultur & Philosophie: Lektüreübung WP). - sowie an diejenigen, die Lateinische Philologie studieren (HF: WP-Module: Literatur III, Pflicht-Module: Literatur I, Sprache u. Grammatik III/ NF: WP-Module: Literatur III, Pflichtmodule: Sprache u. Grammatik III und Altertumswissenschaften KB, Wahlpflichtbereich Klass. Philologie, Modul: Sprache u. Grammatik III, TN 1: Lektüre Poesie sowie Modul: Literatur III). |