Kochen und Essen in Literatur und Film der Gegenwart - Einzelansicht

„Das Essen ist allgegenwärtig: Jeder Mensch isst mehrmals täglich, das ganze Leben lang, und bei durchschnittlicher Lebenserwartung nimmt der Deutsche des postindustriellen Zeitalters innerhalb seines Lebens etwa 80.000 Mahlzeiten ein – ohne Kaffee und Kuchen. Insgesamt bringen die modernen Mitteleuropäer sechs Jahre ihres Lebens ausschließlich mit Essen zu!” (Gunther Hirschfelder)

Essen ist in den Kulturwissenschaft unter dem Schlagwort ‚Kulinaristik‘ (vgl. Alois Wierlacher, z. B. das seit 2017 erscheinende Jahrbuch für Kulinaristik) zu einem inzwischen breit erforschten Phänomen geworden, und auch in der Literatur- bzw. Filmwissenschaft wird eifrig u. a. unter dem Stichwort ‚Gastropoetik‘ (Elisa Eckenstaler) publiziert.
In dieser Lehrveranstaltung wollen wir gemeinsam der Frage nachgehen, welche Rolle Kochen und Essen in Gegenwartsliteratur und im Gegenwartsfilm (unter dem Gattungsbegriff ‚Food Filme‘) spielt, denn es ist auffällig, dass gerade in den letzten Jahren die Zahl der Erzähltexte und Filme zugenommen hat, die Köche und Köchinnen ins Zentrum stellen, die von Abendgesellschaften als Orten der Kommunikation erzählen oder die Konzepte wie Familie/Gemeinschaft und kulturelle Identität im Zusammenhang mit den Essgewohnheiten ihrer Protagonist:innen diskutieren. Über thematologische Aspekte hinaus stellt sich die Frage, wie in diesen Medien über Essen gesprochen wird: Kann man überhaupt multisenorische Erfahrungen wie die der Nahrungszubereitung oder -aufnahme adäquat in Worte fassen? Welche Filmbilder vermitteln Geschmack, Geruch, Textur usw. von Nahrungsmitteln?

Vorläufige, thematisch geordnete Literatur- und Filmliste

(Die endgültige Auswahl der Beispiele erfolgt gemeinsam in der Vorbesprechungssitzung)

Familie und Essen:

Eat Drink Man Woman (Ang Lee, Taiwan/USA 1994)

Aimee Bender: The Particular Sadness of Lemon Cake/Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen (2010/2011)

Michelle Zauner: Crying in H Mart/Tränen im Asia-Markt (2021)

Das Familienrestaurant:

Michael Lüders: Aminas Restaurant (2006)

La Graine et le Mulet/Couscous mit Fisch (Abdellatif Kechiche, Frankreich 2007)

Délicieux/À la carte: Freiheit geht durch den Magen (Éric Besnard, Frankreich/Belgien 2021)

Die Abendgesellschaft:

Babettes Fest (Gabriel Axel, Dänemark 1987, basierend auf der Erzählung Babettes gæstebud (1958) von Tania Blixen)

Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert (2023)

Köche in der Fremde:

Martin Suter: Der Koch (2010)

Monique Truong: The Book of Salt/ Das Buch vom Salz (2003/2004)

Ungewöhnliche Porträts von Köchen:

Christophe Blain: En Cuisine avec Alain Passard/In der Küche mit Alain Passard (2011/2013)

Maylis de Kerangal: Un chemin de tables/Portrait eines jungen Kochs (2016/2020)

Köchinnen:

Bella Martha (Sandra Nettelbeck, Deutschland 2001)

Marie Ndiaye: La Cheffe/Die Chefin. Roman einer Köchin (2016/2017)

La Passion de Dodin Bouffant/Geliebte Köchin (Trần Anh Hùng, Frankreich 2023, basierend auf dem Roman La vie et la passion de Dodin-Bouffant gourmet (1924) von Marcel Rouff)

Fernsehköchinnen:

Julie & Julia (Nora Ephron, USA 2009)

Bonnie Garmus: Lessons in Chemistry/Eine Frage der Chemie (2022)