„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, schrieb Adorno im Jahr 1949 und löste damit die erste der vielen Kontroversen um die Darstellung und Darstellbarkeit der Shoah -- der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis -- aus. Nachdem bald nach Kriegsende zunächst diskutiert wurde, ob man „nach Auschwitz“ überhaupt noch literarisch schreiben dürfe, verlagerte sich die Debatte rasch auf die Frage nach den Möglichkeiten der Darstellung in Literatur und anderen Medien: Wie kann man Unfassbares beschreiben? Wie viel und was darf man zeigen? Darf man den Holocaust ästhetisch darstellen? Was passiert, wenn man aus den kontingenten geschichtlichen Ereignissen eine Geschichte macht? Kann es in der literarischen und filmischen Auseinandersetzung mit der Shoah auch Humor geben?
Das Seminar wird einen Überblick über die wichtigsten Formen der literarischen und filmischen Auseinandersetzung mit der Shoah vermitteln. Hierzu gehören z.B. Lyrik „nach Auschwitz“ (Nelly Sachs, Paul Celan), Berichte von Zeugen (Primo Levi, Jean Améry), Dokumentation (Peter Weiss, Claude Lanzmann) sowie satirische und groteske Darstellung (Edgar Hilsenrath). Neben diesen Formen werden bestimmte Kontexte erarbeitet, z.B. die antifaschistische Positionierung zum Holocaust in der DDR-Literatur, die Darstellung im deutschen Nachkriegsfilm und die Rolle von Hollywood bei der Narrativierung der Shoah. Das Seminar wird sich vor allem auf die oben angedeuteten Kontroversen konzentrieren, die von behandelten Werken ausgelöst oder mitgetragen wurden. Das bedeutet auch, dass die Erarbeitung der einzelnen Text- und Filmbeispiele mit dem Studium kontextualisierender Sekundärliteratur einhergehen wird.
Zur Vorbereitung ist einer der untenstehenden Filme anzuschauen oder einer der Texte zu lesen. Die behandelten Texte werden als PDF zur Verfügung gestellt. Die Filme werden in Auszügen im Seminar gezeigt, gegebenenfalls können auch DVDs ausgeliehen werden.
Das Seminar wird mit einer schriftlichen Hausarbeit abgeschlossen. Statt eines mündlichen Referats ist von jedem/r Studierenden ein schriftliches Arbeitspapier von 1-3 Seiten Umfang anzufertigen. Die Themen werden in der ersten Sitzung verteilt.
Primärtexte und Filme zur Vorbereitung:
Nelly Sachs: In den Wohnungen des Todes (1947)
Primo Levi: Ist das ein Mensch? (1947)
Bruno Apitz: Nackt unter Wölfen (1958)
Peter Weiss: Die Ermittlung (1965)
Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne (1966)
Edgar Hilsenrath: Der Nazi und der Friseur (1971)
Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend (1992)
Die Mörder sind unter uns (D 1946; Wolfgang Staudte)
Ehe im Schatten (D 1947; Kurt Maetzig)
Morituri (D 1948; Eugen York)
Nacht und Nebel (F 1955; Alain Resnais)
Sophies Entscheidung (USA 1982; Alan J. Pakula)
Shoah (F 1985; Claude Lanzmann)
Schindlers Liste (USA 1993; Stephen Spielberg)
Das Leben ist schön (I 1997; Roberto Benigni)
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