Kommentar |
Die Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit wird zu weiten Teilen von den Eliten der Gesellschaft getragen, von exzellent gebildeten Bürgerlichen und von Adligen. Eine bemerkenswerte Ausnahme davon bildet das Fastnachtsspiel. Dabei handelt es sich um kürzere Komödien aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die von kleinbürgerlichen Autoren, oft Handwerkern, verfasst werden, die in der Regel nur über eine elementare Schulbildung verfügen. Aufgeführt werden die Texte im Fasching von Handwerkertruppen, also Laien, in Wirtshäusern oder auf öffentlichen Plätzen ohne aufwendige Requisiten, Kostüme und Bühnenbilder. Dabei werden im Rahmen des wilden Fastnachtstreibens immer wieder gesellschaftliche Regeln offensiv missachtet oder gar Tabus gebrochen. Das Fastnachtsspiel präsentiert sich häufig obszön und vulgär, ja wagt sogar die Diffamierung der kirchlichen oder weltlichen Obrigkeit.
Das Seminar befasst sich mit einer repräsentativen Auswahl an Fastnachtsspielen. Gemeinsam analysiert und interpretiert werden u.a. Fastnachtsspiele über die typisierten Figuren des tölpelhaften Bauern und des lasterhaften Pfarrers, ein Eulenspiegel-Spiel, ein Dialog zwischen einem arroganten Herrscher und einem listigen Untertanen und eine Komödie im Dienste der lutherischen Reformation. Am Ende des Seminars wird mit Andreas Gryphius' "Absurda comica" das wichtigste Lustspiel der Barockliteratur gelesen, dessen primäres Ziel die polemische Herabsetzung des Fastnachtsspiels auf der Grundlage der Dichtungsreform von Martin Opitz ist. |
Literatur |
Folgender Reclam-Band ist obligatorisch anzuschaffen:
Andreas Gryphius: Absurda comica oder Herr Peter Squentz. Krit. Ausg. (Reclam 7982)
Alle weiteren Texte, die im Seminar gelesen werden, werden im ESem der SULB (unter Fakultät P, Germanistik, Professur für Neuere deutsche Philologie und Literaturwissenschaft3) als PDF-Dateien zur Verfügung gestellt. |