Frankreich nach den Wahlen – auf dem Weg in eine neue Republik?
In ihrer Ausgabe vom 3/.4. September 2017 (S. 28) schrieb die französische Tageszeitung „Le Monde” mit Blick auf verschiedene Beiträge über „Lehren aus den vergangenen Präsidentschaftswahlen”: „Es war vor einem Jahr oder vor einer Ewigkeit. Am 30. August 2016 bot Emmanuel Macron François Hollande seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister an. Vor dem Hintergrund seiner Diagnose von einem ‚zu weitreichend blockierten politischen, wirtschaftlichen und sozialen System‘ wollte er freie Hand haben, um ‚neue Hoffnung zu erzeugen‘. Diese sollte es möglich machen, ‚Frankreich vom folgenden Jahr an zu transformieren‘. (…) Letzten Endes wurde dann in einigen wenigen Monaten die gesamte politische Landschaft grundgestürzt: So jung wie keiner seit Bonaparte, weder lokale Verwurzelung, noch Wahlmandat, keine etablierte Partei, ohne Verbündete, ohne klar erkennbare ideologische Prägung: Emmanuel Macron ließ einfach alle Regeln links liegen, die in mehr als einem halben Jahrhundert die V. Republik geprägt hatten. Die routinierten Matadore? Weg vom Fenster. Die traditionellen Parteien? Durchgefallen. Der unvermeidliche Wechsel zwischen rechts und links? Durchkreuzt mit einer ‚sowohl rechts als auch links‘-Positur, die seit ewigen Zeiten als komplett illusorisch galt. Was die unterstellte Unmöglichkeit betrifft, dass dieser Ufo-Präsident eine parlamentarische Mehrheit erlangen könnte: sie wurde durch die Wahl zur gesetzgebenden Kammer vom Juni widerlegt, bei der 314 Abgeordnete von La République En Marche in die Nationalversammlung entsandt wurden. Was ist also in diesem verrückten Wahljahr passiert? Was waren die Triebfedern dieses Wahlerfolges außerhalb jeder Norm? Was sagt er uns über den Zustand der französischen Demokratie? Wie wird die Zukunft dieser ‚samtenen Revolution‘ aussehen?” Fragen über Fragen … die auch im Zentrum der vorliegende Lehrveranstaltung stehen: Was konkret ist in Frankreich 2017 passiert, was bedeutet dies für die Zukunft des politischen Systems in unserem wichtigsten Nachbar- und Partnerland, befinden wir uns vielleicht schon auf dem Weg in eine „andere” französische Republik?
Zum Erwerb von 5 ECTS-CP (Hausarbeiten) sind u.U. Zusatzleistungen obligatorisch (über die in den jeweiligen Modulhandbüchern vorgesehenen Leistungsanforderungen hinaus und gemäß den entsprechenden Regelungen in den einschlägigen Studienordnungen, z.B. in Form von Referaten).Themen für Referate oder andere Zusatzleistungen sowie für Hausarbeiten können auch schon in den Sprechstunden vor Beginn der Vorlesungszeit übernommen werden (siehe jeweils aktuelle Aushänge bzw. Einträge im LSF unter dem Namen des Seminarleiters).
Themen- und Zeitplan:
Achtung: der folgende Themen- und Zeitplan steht unter Vorbehalt, da zum Zeitpunkt seiner Konzeption die endgültige Raum- und Zeitplanung in der Fachrichtung Romanistik aufgrund des zum Wintersemester erforderlichen Gebäudewechsels noch nicht bekannt war.
Präsentation und Organisation der Lehrveranstaltung, Ihre Fragen und Wünsche (16.10.2017)
Teil I: Einführung: Das politische System Fankreichs bis zur Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Staatspräsidenten
Bisherige Grundlagen der Verfassung und des politischen Systems der V. französischen Republik – eine Einführung (23.10.2017)
Die Doppelexekutive – zur traditionellen Rolle von Staatspräsident und Premierminister in der V. Republik und ihren Problemstellungen (30.10.2017)
Die Entwicklung und die Entwicklungslinien des Parteiensystems in Frankreich seit Gründung der V. Republik (06.11.2017)
Zwischenschritt: Formalia, Prüfungsfragen und – mit Blick auf Hausarbeiten – Fragen zum wissenschaftlichen Arbeiten (13.11.2017)
Parlament und Gesetzgebung in V. Republik – bisherige Beziehungsmuster (20.11.2017)
Teil II: Die Wahlen in Frankreich 2017 und ihre Folgen – erste Analysen …
Wahlen und Wahlergebnisse 2017 sowie die Hintergründe: Präsidentschaftswahlen, Wahlen zur Nationalversammlung, Teilneuwahlen zum Senat (27.11.2017)
Unmittelbare Konsequenzen der verschiedenen Wahlen vor dem Hintergrund des politischen Systems der V. Republik (04.12.2017)
Politische Entwicklungen in Frankreich seit den Präsidentschaftswahlen 2017 (11.12.2017)
Teil III: Auf dem Weg in eine neue Republik?
Keine VI. Republik und doch eine „andere” Republik? Institutionelle Reformen bzw. Reformvorhaben der neuen Mehrheit in Frankreich (18.12.2017)
(Vorlesungsfreie Zeit zu/zwischen Weihnachten und Neujahr: 27.12. – 29.12.2017)
Das „Amtsverständnis” des neuen Staatspräsidenten (08.01.2018)
Ein anderes Parlament? (15.01.2018)
Ein neues Parteiensystem – wie nachhaltig sind die Veränderungen des Jahres 2017? (22.01.2018)
Abschlusssitzung: Ist Frankreich nach den Wahlen 2017 eine andere Republik? (29.01.2018)
Literatur- und Informationshinweise (eine erste Auswahl):
Halmes, Gregor, Regionalreform und „stille Revolutionen” in Frankreich, in: Europäisches Zentrum für Föderalismusforschung (EZFF) Tübingen (Hrsg.), Jahrbuch des Föderalismus, Föderalismus, Subsidiarität und Regionen in Europa, Band 16, Baden-Baden (Nomos) 2015, S. 245-261
Kempf, Udo, Das politische System Frankreichs, 5. aktualisierte und erweiterte Auflage, Wiesbaden (Springer VS) 2017
Kimmel, Adolf, Das politische System der V. französischen Republik, Ausgewählte Aufsätze, Baden-Baden (Nomos) 2014
Kimmel, Adolf/ Uterwedde, Henrik (Hg.), Länderbericht Frankreich, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung) 2012
Lüsebrink, Hans-Jürgen, Einführung in die Landeskunde Frankreichs, Wirtschaft – Gesellschaft – Staat – Kultur, 3. Auflage, Stuttgart (J.B. Metzler) 2011
Schild, Joachim/Uterwedde, Henrik (Hg.), Die verunsicherte Republik, Wandel der Strukturen, der Politik – und der Leitbilder?, Baden-Baden (Nomos) 2009
Uterwedde, Hendrik, Frankreich – eine Länderkunde, Opladen, Berlin, Toronto (Barbara Budrich) 2017
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