Kommentar |
Die Komödie, das komische Schauspiel, ist in besonderer Weise in der Lage, als soziales Korrektiv zu wirken und bestehende gesellschaftliche Hierarchien ins Wanken zu bringen – sie besitzt sogar das Potential, Herrscherverhältnisse umzukehren. Das Lachen und die satirische Belustigung, die über die Aufführungen komischer Stücke ausgelöst werden, schaffen Kollektiverfahrungen des Publikums im öffentlichen Raum des Theaters, die nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen bewirken können. Aufgrund dieser Tatsache ist es erstaunlich, dass - die Gattung der Dramatik betreffend - die Komödie und das Lustspiel oftmals – insbesondere aus literaturwissenschaftlicher Sicht – als der Tragödie in qualitativer Hinsicht untergeordnet wahrgenommen werden, was sich am Mangel systematischer Aufarbeitungen der Gattung und der Gattungsstheorie der Komödie zeigt und ablesen lässt. Die Bevorzugung des ernsten Schauspiels ist dabei vermutlich der geringen Anzahl poetologischer Auseinandersetzungen mit der Komödie geschuldet, was eine theoretische Fundierung im Hinblick auf den Aufbau, die Funktion und die Wirkungsweise der Gattung über die Entwicklung in den verschiedenen literarischen Epochen hinweg erschwert.So ergibt sich für eine grundlegende Betrachtung der dramatischen Gattung der Komödie innerhalb des Proseminars die Notwendigkeit, auf die wenigen vorhandenen theoretischen Schriften zurückzugreifen, die ganz allgemein bei der Lektüre und Analyse komischer Schauspiele hilfreich sein können, aber auch bei der Untersuchung der im Proseminar zu bearbeitenden konkreten Stücke nutzbar gemacht werden sollen. Dies umfasst in erster Linie vorhandene Theorien zur Komik (mit H.R. Jauß kategorisierbar in eine Komik der Herabsetzung – also des Verlachens – und eine der Heraufsetzung), zum Lachen (Henri Bergson) und zum Lächerlichen (Jean Paul).Gerade im Hinblick auf den zu betrachtenden Zeitraum (1500-1800) müssen, um die Reformbestrebungen der Aufklärer verständlich werden zu lassen (in erster Linie sind die Übertragung der ,Herrschaft des Textes' auf dem Theater auch auf die Gattung Komödie und die Verbannung (Gottsched) und spätere ,Rehabilitierung' (Lessing, Möser) der komischen Person (Harlekin, Hanswurst oder Pickelhering) zu nennen), die vorangegangenen Entwicklungsstufen der Komödie einer Betrachtung unterzogen werden. Dabei spielen insbesondere die Commedia dell'arte mit ihrem feststehenden Figuren- und Typenarsenal und das Fastnachtsspiel mit den häufig bekannten Schwankstoffen eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls auf das selbstreferentielle Moment der Komödie und des Lustspiels einzugehen sein (Hier ist an Gryphius' Absurda Comica und die darin verdeutlichte Kritik am Dilettantismus der Meistersinger zu denken). Die Komödie weist also – neben der theatralischen Dopplung von Dramentext und Bühnenaufführung – in besonderem Maße die Tendenz zum sich vervielfältigenden Spiel auf, das die eigene Theatralität beleuchtet und kritisch hinterfragt; die Metaebene wird dabei durch grenzüberschreitendes Personal oder Gestaltungsmittel wie das Stück-im-Stück oder das Spiel-im-Spiel erreicht. |
Literatur |
Im Proseminar werden folgende Texte besprochen, die von allen Teilnehmern erworben (Reclam) und - zu den jeweiligen Sitzungsterminen - auch gelesen werden sollten: Hans Sachs: Das Narrenschneiden (In: Hans Sachs: Meisterlieder, Spruchgedichte, Fastnachtsspiele), Andreas Gryphius: Absurda Comica Oder Herr Peter Squentz, Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch, Luise Adelgunde Victorie Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke, Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück, August von Kotzebue: Die deutschen Kleinstädter
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