Kommentar |
Nachdem der Schweizer Theologe Karl Barth (1986-1968) seine Bonner Professur verloren hatte und in die Schweiz zurückgekehrt war, konnte er nur noch von außen die Ereignisse in Deutschland, besonders in der deutschen evangelischen Kirche, verfolgen und auf sie einwirken. Doch das tat er intensiv, engagiert und provokativ. Abgesehen von der Arbeit an seinem Hauptwerk, der Kirchlichen Dogmatik, beanspruchte ihn 1935-1945 nichts so wie Deutschland. Solange er noch in Deutschland weilte, beschränkte er sich weitgehend darauf, den Einfluss des Nationalsozialismus auf die deutsche evangelische Kirche zu bekämpfen, doch in der Schweiz begann er sich auch zur deutschen Politik zu äußern, und zwar mit theologischen Argumenten. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen europäischen Ländern, besonders in Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich, trat er für eine Solidarität mit der Bekennenden Kirche und eine kompromisslose Haltung gegenüber der deutschen Politik ein. Obwohl er entschiedener Gegner des Nationalsozialismus war, verstand er sich als ein Freund der Deutschen – eine Sichtweise, der in Deutschland bis in die Nachkriegszeit hinein viele widersprachen.
Ziel des Seminars ist es, Karl Barths auf Deutschland bezogene theologische, kirchliche und politische Aktivitäten im Kontext der politischen Geschichte und der Kirchengeschichte 1935-1945 zu beschreiben und zu interpretieren.
Vorgesehene Themen: Barths Darstellung des Kirchenkampfs. - Barth und die Ökumenischen Konferenzen 1937. - Barth und das schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland (1937-1947). - Barth und der Treueid auf Hitler in der Preußischen Landeskirche (1938). - Barths theologische Grundlegung der politischen Ethik: "Rechtfertigung und Recht" (1938). - Barth und die Sudentenkrise (1938). - "Die Kirche und die politische Frage von heute" (1938/39). - Barth über Deutschland und das Luthertum (1939/40). - "Die protestantischen Kirchen in Europa - ihre Gegenwart und ihre Zukunft" (1943). - "Zur Genesung des deutschen Wesens" (1945). - Barths Reise nach Deutschland im August 1945.
Hinweis: Wenn es möglich ist, soll wegen der ausfallenden Termine eine Blocksitzung am 9. Juni stattfinden. |
Literatur |
K. Barth / W. A. Visser ’t Hooft, Briefwechsel 1930-1968, hrsg. v. H. Stoevesandt (Karl Barth-Gesamtausgabe V. Briefe), Zürich 2006. – K. Barth, Offene Briefe 1935-1942, hrsg. v. Diether Koch (Karl Barth-Gesamtausgabe V. Briefe), Zürich 2001. – Ders., Eine Schweizer Stimme 1938-1945, Zollikon-Zürich 1945. – M. Beintker, Barth Handbuch, Tübingen 2016. – Ders. / Chr. Link / M. Trowitzsch, Karl Barth im europäischen Zeitgeschehen (1935-1950). Widerstand – Bewährung – Orientierung. Internationales Symposion zum Werk Karl Barths 2/2008, Zürich 2010. – E. Busch, Die Akte Karl Barth. Zensur und Überwachung im Namen der Schweizer Neutralität 1938-1945, Zürich 2008. – Ders., Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten, München 1975. – H. Rusterholz, „... als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde“. Paul Vogt, Karl Barth und das schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland 1937-1947, Zürich 2015. |