Vorlesungsverzeichnisse sind auf den ersten Blick wenig spannend. Sie werden zur Orientierung der gerade Studierenden gedruckt oder als Datenbank online gestellt und dann bald vergessen. Für Historiker stellen sie klassische serielle Quellen dar, die in regelmäßigen Abständen in einheitlicher Form praktische Informationen enthalten. Gerade die Einheitlichkeit macht Vergleichbarkeit und einfache quantitative und qualitative Auswertung möglich. Dies ist in den letzten fünf Jahren noch sehr viel einfacher geworden, da viele deutsche Universitäten ihre Vorlesungsverzeichnisse retro-digitalisiert haben, z.T. bis zurück ins 17. Jh.
In der Übung konzentrieren wir uns jedoch auf die Zeit seit dem späten 19. Jahrhundert. Thematisch steht unser eigenes Fach im Mittelpunkt: die Geschichtswissenschaft. Wie war universitäre Lehre organisiert? Welche Themen wurden gelehrt und wie veränderte sich dieses Spektrum im Laufe der Zeit? Findet sich die NS-Ideologie im Lehrprogramm wieder? Inwieweit lässt sich die Ablösung des Historismus anhand dieser Quellen nachvollziehen lässt?
Der Fokus des Seminars liegt auf der eigenen Quellenarbeit und Analyse – daher habe ich eine besondere Struktur gewählt: Nur in den ersten fünf Semesterwochen treffen wir zu wöchentlichen Sitzungen. Danach bearbeiten alle Teilnehmer die von ihnen gewählten Universitäten und Zeitabschnitte. Wir treffen uns einmal im Juni, um Ansätze und Methoden zu diskutieren. Im Juli werden dann die Ergebnisse werden in zwei längeren Sitzungen vorgestellt und diskutiert (ebenfalls donnerstags, dann aber nicht nur 14-16, sondern 14-18 Uhr).
Die spezifische Auswahl und Herangehensweise an seine/ihre Universität bleibt allen selbst überlassen. Das Seminar gibt allen Teilnehmern die Möglichkeit zur selbständigen – und häufig: erstmaligen! – Bearbeitung eines klar umrissenen Quellenbestandes und dient damit der Einübung praktischer Quellenarbeit mit allem, was dazu gehört: von Enttäuschungen bis zum Entdeckerstolz. Als gut aufbereitete und vielfältig analysierbare Quellen eignen sich die Vorlesungsverzeichnisse auch für mögliche Abschlussarbeiten oder eine gemeinsame Dokumentation der Ergebnisse. |