Kommentar |
Wissenschaftstheorie wird üblicherweise als eine Art Meta-Theorie ausgelegt: als ein theoretisches Projekt, das „danach“ kommt, post festum sozusagen. Die empirisch verfahrenden Wissenschaften und deren Theoriebildungen sind schon da, danach kommt die Reflexion über sie, besonders über die Naturwissenschaften. Gefragt wird nach der Abgrenzung wissenschaftlicher Bestrebungen gegenüber Nicht-Wissenschaft und Pseudowissenschaft (was nicht das Gleiche ist!), nach charakteristischen Leistungen und Methoden, wie man sie in den gewöhnlich als wissenschaftlich klassifizierten Disziplinen vorfindet oder erwartet.
Charakteristische Leistungen? Man könnte, abgesehen von technischen Anwendungserfolgen (da, wo diese in Betracht kommen) an so etwas wie die „theoretische Einbettung“ von Phänomenen denken, an das Herstellen von „Systematik“ durch die Erschließung unterschiedlicher Phänomenbereiche mittels eines und desselben Bestandes von Gesetzeshypothesen, das Ganze verbunden mit der Befriedigung explanatorischer Bedürfnisse und der Ermöglichung von Prognosen.
Wenn theoretische Einbettung wesentlich mit einer „Zurückführung“ speziellerer Sachlagen auf allgemeine Gesetzeshypothesen zu tun hat, dann stellt sich zum einen die Frage nach der Struktur solcher Zurückführungen: Wie sind wissenschaftliche Erklärungen aufgebaut, wie sieht deren logische Struktur aus? Zum anderen wird schnell klar, dass die herangezogenen Gesetzeshypothesen von recht unterschiedlicher Art sein können, dass sie manchmal zum Beispiel das Format generalisierter bedingter Wahrscheinlichkeitsaussagen haben; typischerweise so in der Quantentheorie.
Wahrscheinlichkeit? In der harten Wissenschaft? Ist denn das Operieren mit Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht erst einmal und vor allem ein Symptom dafür, dass man sich in einem Zustand unvollständigen Wissens befindet? In einem Zustand, den man zu überwinden versuchen müsste? Oder gibt es möglicherweise Phänomenbereiche, in denen man aus prinzipiellen Gründen nicht über Wahrscheinlichkeitsaussagen hinauskommen kann? – Geht man solchen Fragen nach, so landet man in der Wissenschaftsphilosophie schnell bei Themen wie der Frage der „Vollständigkeit“ der Quantenmechanik, der Determinismus-Indeterminismus-Kontroverse, der Polarität von Notwendigkeit und Zufall. Auch auf solche Gegenstände kann in der Veranstaltung eingegangen werden.
Zur Vorlesung wird ein Skript zur Verfügung gestellt.
Literatur:
Bartels, A., und Stöckler, M. (Hg.), Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch; Paderborn 2007.
Kuhn, Th., Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen; Frankfurt/M. 1969 (amerik. Orig. Chicago 1962).
Lauth, B., und Sareiter, J., Wissenschaftliche Erkenntnis. Eine ideengeschichtliche Einführung in die Wissenschaftstheorie; Paderborn 2002.
Nortmann, U., Unscharfe Welt? Was Philosophen über Quantenmechanik wissen möchten; Darmstadt 2008. |