Kommentar |
Der Begriff der Postmoderne wird zwar inflationär verwendet, dabei aber selten genauer bestimmt. Dies mag in der Sache selbst begründet liegen, denn wie definiert man philosophische Denkmuster und kulturelle Strömungen, die sich dezidiert eindeutigen Zuschreibungen, Schubladen und Etikettierungen zu entziehen suchen? Liegt eine zentrale „postmoderne” Denkfigur doch gerade in der Absage an die „großen Erzählungen” (nach Lyotard), den Welterklärungen basierend auf einem zentralen Prinzip – hin zu einem Pluralismus der Denk- und Lebensmodelle.
Auch in Literatur und Literaturwissenschaft ist vielfach die Rede von dem Paradigma des „anything goes,” das zu einem Nebeneinander der unterschiedlichsten Stile, Themen und Verfahrensweisen führt. Dennoch herrscht keine postmoderne Beliebigkeit, wie besorgte Kritiker mahnen. Es lassen sich durchaus typisch „postmoderne” Verfahrensweisen benennen. Aus dem Gefühl des „danach,” der bloßen Wiederholung von Schon-einmal-Dagewesenem entsteht der Eindruck einer Unmöglichkeit künstlerischer Innovation. Diesem begegnet man mit ironisch gebrochener Verwendung tradierter Formen oder Mythen sowie einem Spiel mit Gattungstraditionen, Intertextualität und Intermedialität – allgemein einer Zitat- und Verweisstruktur der Texte, auch über die Grenzen von Hoch- und Trivialliteratur hinweg. Häufig wird das Schreiben selbst zum Thema postmoderner Texte, die sich mit ihrer Autorschaft und ihrem Fiktionsstatus auseinandersetzen oder ein Spiel mit den LeserInnen treiben. Diese ironische Interaktion mit den LeserInnen äußert sich auch in der sogenannten Mehrfachkodierung, die durch unterschiedliche Bedeutungsebenen zur Entschlüsselung möglicher Lesarten oder Verweissysteme einlädt.
In der deutschsprachigen Literatur macht sich die postmoderne Theoriebildung besonders seit den 80er Jahren bemerkbar. Bestseller wie Patrick Süßkinds Das Parfum (1985) oder Daniel Kehlmanns Die Vermessung der Welt (2005) bringen postmoderne Literatur in die Wohnzimmer, den Lektürekanon der Schulen und nicht zuletzt durch filmische Adaptionen auch ins Kino – und somit zu einem breiten Kreis an RezipientInnen.
Ziel des Hauptseminars ist es, einen Überblick über deutschsprachige literarische Werke der Postmoderne und über zentrale theoretische Schriften zu gewinnen. Hierbei werden sowohl Texte aller literarischen Gattungen analysiert, als auch zentrale Verfahrensweisen, Topoi und Motive herausgearbeitet. Auch die Frage nach Epochenkonzepten soll am Beispiel der Postmoderne problematisiert und diskutiert werden. |
Literatur |
Zur Anschaffung empfohlen:
- Christoph Ransmayr: Die letzte Welt (Fischer Taschenbuch)
- Elfriede Jelinek: Theaterstücke (Rowohlt Taschenbuch)
- Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt (Rowohlt Taschenbuch)
- Marlene Streeruwitz: Lisa’s Liebe. (Ausgabe „Roman in 3 Folgen” bei Suhrkamp evtl. gebraucht erhältlich, alternativ auch als „Romantaschenbuch” bei Fischer)
- Walter Moers: Die 13einhalb Leben des Käpt’n Blaubär (Goldmann Taschenbuch) |