Kommentar |
Die Kudrun gehört zu den wenigen mittelhochdeutschen Texten mit einer sehr 'streitbaren' Frau als Protagonistin. Wohl als Reaktion auf die Kriemhild des Nibelungenliedes entstanden, entwickelt der Text ein komplexes Frauenbild, das Kudrun als Fürstentochter im Dilemma zwischen individueller Eigenständigkeit und rollengerechter Fügsamkeit zeigt. Im Seminar werden Ausschnite aus dem Text gemeinsam gelesen, übersetzt und interpretiert. Dabei sollen unterschiedliche inhaltliche und methodische Analyseaspekte eine Rolle spielen: Wie lassen sich die Figuren sowie die Räume und Zeiten, in denen sie agieren, narratologisch beschreiben? Wie verhält sich der Text zu seinen verschiedenen literarischen Quellen, insbesondere zum Nibelungenlied und zu den Legenden einiger weiblichen Heiligen? Welche Frauen- und Männerrollen werden im Text entworfen, diskutiert, verworfen, propagiert? Welche Handschriften enthalten den Text, und wie kam auf ihrer Basis die Textedition, mit der im Seminar gearbeitet wird, zustande?
Am 12. Juli wird die Herausgeberin der Reclam-Ausgabe des Textes, in einem Workshop für Fragen und Antworten zur Verfügung stehen. |