Kommentar |
Schon in den frühesten deutschen Erzähltexten spielt die Zeit eine besondere Rolle: Bereits das althochdeutsche Ludwigslied versucht ebenso wie das mittelhochdeutsche Alexanderlied und der Eneasroman Heinrichs von Veldeke eine bewusste Einflussnahme auf die Geschichtsschreibung der jeweiligen Zeit, d.h. auf die memoria, die Art und Weise der Erinnerung an geschichtliche Ereignisse durch spätere Generationen; die frühmittelhochdeutsche Kaiserchronik lässt ein teleologisches, linear heilsgeschichtliches Zeitmodell erkennbar werden, das allerdings auch zyklische Elemente enthält; Iwein kann im gleichnamigen Artusroman Hartmanns von Aue seine Bewährungsproben nur bestehen, indem er ein Terminversäumnis, das ihn von seiner geliebten Laudine getrennt hat, durch (fast) parallel verlaufende âventiuren ausgleicht; im magischen Bereich kann die Zeit ganz außer Kraft gesetzt werden; usw. Im Seminar werden anhand von ausgewählten Beispielen die verschiedenen Zeitkonzepte des Mittelalters gemeinsam erarbeitet, und zwar sowohl auf inhaltlicher und philosophischer als auch auf narratologischer Ebene.
Die Autorin der wichtigsten Publikation auf dem Gebiet der 'Zeit' in mittelhochdeutschen Erzähltexten, Uta Störmer-Caysa, wird am 12. Juli für einen Workshop zur Verfügung stehen. Das Seminar bietet eine optimale Möglichkeit der Vorbereitung auf die Teilnahme am 26. Deutschen Germanistentag, der vom 22.-25. September 2019 in Saarbrücken stattfindet und sich in ca. 100 Panels mit Vorträgen sowohl junger als auch etablierter Wissenschaftler*innen dem Thema 'Zeit' widmen wird. |