Kurzkommentar |
Die Debatte um die Gleichberechtigung der Frau wird auf politischer, sozialer, wirtschaftlicher und religiöser Ebene zum Teil kontrovers und häufig mit hoher emotionaler Anteilnahme geführt. Genderfragen sind hochaktuell und besitzen gesamtgesellschaftliche Brisanz. Frauenquoten in Führungspositionen, Altersarmut, Mütterrente, Frauenordination – Schlagworte, die im öffentlichen Diskurs um die Positionsbestimmung der Frau und das Thema Geschlechtergerechtigkeit geprägt und virulent werden. Dabei tragen insbesondere die neuen Medien zur Popularisierung der Debatte bei. Unter dem Hashtag #MeToo prangern Schauspielerinnen im Jahr 2017 sexuelle Belästigungen und Übergriffe im Filmbusiness an. Zuletzt wurde mit der Aktion #EqualPayDay auf die eklatante Lohnlücke zwischen männlichen und weiblichen Erwerbstätigen hingewiesen und für mehr Lohngerechtigkeit geworben.
Die Frage nach den Entfaltungsmöglichkeiten der Frau hat auch in der Literaturgeschichte der frühen Neuzeit ihre Spuren hinterlassen. Maßgebend für das etablierte Frauenbild und die Entstehung von Rollenstereotypen ist hier deren theologische Bewertung innerhalb der Schöpfungsgeschichte: Eva ist Zweitgeschaffene, Verführte und Verführerin, dem Manne Untergeordnete. Auch die Bereiche der Literaturproduktion und -rezeption sind über lange Zeit eine Männerdomäne. Lesende und schreibende Frauen sind eher die Ausnahme als die Regel. Diese Beobachtung ist vor dem Hintergrund divergierender Bildungschancen erklärbar. Während der männliche Bildungsweg idealiter von der Lateinschule über das Gymnasium zur Universität führt, bleibt potentiellen Autorinnen der Zugang zu Bildung verwehrt oder auf den häuslichen Gebrauchskontext beschränkt. Als umso bemerkenswerter muss es gelten, wenn es einigen wenigen Autorinnen vor 1800 dennoch gelingt, ihre Gedichte, Dramen und Romane – sei es gezielt, unfreiwillig oder anonym – einer Leserschaft zugänglich zu machen. Das Seminar bietet eine intensive Analyse und Interpretation ausgewählter und z.T. hochkanonisierter Texte weiblicher Autorinnen des 17. und 18. Jahrhunderts. Im Zentrum des Interesses stehen neben dem lyrischen Oeuvre Catharina Regina von Greiffenbergs, der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterin des 17. Jahrhunderts, auch vergleichsweise weniger beachtete Texte, wie etwa die Sonette von Sibylla Schwarz. Anhand des Lustspiels Die Pietisterey im Fischbein-Rocke; Oder die Doctormäßige Frau lässt sich zeigen, wie Luise Adelgunde Victorie Gottsched die dramenpoetologischen Prämissen ihres Mannes mustergültig auf die Bühne bringt und damit dessen Theaterreform unterstützt. Außerordentlich bemerkenswert ist auch das lyrische Schaffen der Hirtin Anna Louisa Karsch, die mit ihrer Lyriksammlung Auserlesene Gedichte reüssiert und von ihren Zeitgenossen als deutsche Sappho gefeiert wird. Den Abschluss bildet die Lektüre von Sophie von La Roches Geschichte des Fräuleins von Sternheim, einem der wichtigsten empfindsamen Romane neben Christian Fürchtegott Gellerts Leben der schwedischen Gräfin von G***.
Die Anschaffung folgender Primärtexte in den angegebenen Reclam-Ausgaben ist obligatorisch:
L.A.V. Gottsched: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke (RUB 8579)
Sophie von La Roche: Geschichte des Fräuleins von Sternheim (RUB 7934)
Weitere Materialien werden zu Vorlesungsbeginn in Moodle zur Verfügung gestellt.
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