Kommentar |
Anerkannter Politiker, begnadeter Redner und tatkräftiger Feldherr – das sind nach wie vor die gängigen, von antiken Autoren wie Thukydides und Xenophon vorformulierten modernen Urteile über Alkibiades (451–404 v.Chr.), einen der charismatischsten, aber auch umstrittensten Politiker des klassischen Athens. Opportunist, Demagoge und „Macchiavelli” der Antike – das sind demgegenüber bereits Wertungen der antiken Alkibiades feindlichen Literatur, die nach und nach auch wieder in die kritische Geschichtswissenschaft Einzug halten. Alkibiades wurde bisher fast auschließlich in der Forschung in einschlägigen Fachzeitschriften unter unterschiedlichen Fragestellungen behandelt, was etwas verwundern mag, da er die Politik seit dem Jahr 420 bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges entscheidend mitbestimmte. Er stammte aus den aristokratischen Familien der Alkmaioniden und Eupatriden und fungierte während der zweiten Hälfte des Peloponnesischen Kriegs als strategischer Berater, militärischer Befehlshaber und Politiker. Bei verschiedenen Gelegenheiten wechselte Alkibiades die Seiten und war stets bemüht, Athen und Sparta gegeneinander auszuspielen. So sprach er sich um 420 v. Chr. in Athen für eine aggressive Außenpolitik aus und war ein bedeutender Befürworter der Sizilischen Expedition. Nachdem seine politischen Feinde ihn des Hermenfrevels beschuldigt hatten, floh er jedoch nach Sparta. Dort diente der Alkmaionide als strategischer Berater, der einige größere Feldzüge gegen Athen vorschlug oder leitete. Jedoch machte er sich in Sparta bald ebenfalls mächtige Feinde und war gezwungen, zum Feind nach Persien überzulaufen. Dort war er als Berater des Satrapen Tissaphernes tätig, bis seine politischen Verbündeten unter den Athenern seine Rückkehr ermöglichten. Alkibiades diente danach für einige Jahre als athenischer General, bis seine Feinde ihn schließlich zum zweiten Mal erfolgreich verbannen konnten. Der Brückenkurs ergänzt die Vorlesung (in der die Funktionsweise der attischen Demokratie ein Schwerpunkt darstellt) und möchte Alkibiades’ Leben und seine Politik im Kontext des demokratischen Athen und des Peloponnesischen Krieges nachzeichnen, um zu verstehen, wie und warum ein solcher Prototyp des Machtpolitikers im Athen des letzten Drittel des 5. Jahrhunderts v.Chr. auf- und absteigen konnte. |
Literatur |
- F. Taeger, Alkibiades, Gotha 1925
- J. Hatzfeld, Alcibiade. Étude sur l’histoire d’Athènes à la fin du Ve siècle, Paris 1940
- W. M. Ellis, Alcibiades, London 1989
- D. Gribble, Alcibiades and Athens. A Study in Literary Presentation. Oxford 1999
- H. Heftner, Der oligarchische Umsturz des Jahres 411 v. Chr. und die Herrschaft der Vierhundert in Athen, Frankfurt/Main 2001
- D. Kagan, The Peloponnesian War, New York/Ithaca 2003
- P. J. Rhodes, Alcibiades. Playboy, general and traitor, Barnsley 2011
- H. Heftner, Alkibiades. Staatsmann und Feldherr, Darmstadt 2011
- H. Tarrant / M. Johnson (Hrsg.), Alcibiades and the Socratic lover-educator, Bristol 2011
- S. Schmidt-Hofner, Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit, München 2016
- W. Will, Athen oder Sparta. Die Geschichte des Peloponnesischen Krieges, München 2019
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Bemerkung |
Aufgrund der Notwendigkeit, die Lehrveranstaltungen im Sommersemester in digitaler Form durchzuführen, erfolgt eine thematische Fokussierung, die auch durch eine Verkürzung der Vorlesungszeit bedingt ist. Der Brückenkurs wird deshalb in Form eines digitalen Angebots durchgeführt; jeden Montag wird eine kommentierte Power-Point-Präsentation im pdf-Format (evtl. auch kleinere Audio-Mitschnitte) sowie vertiefende Literatur zur Thematik online gestellt. Jeden Donnerstagnachmittag um 16 Uhr (Mittwoch-Nachmittag um 16 Uhr vor Feiertagen) wird es Gelegenheit zur Diskussion über die aktuelle Präsentation und Literatur geben, etwa in Form eines Gruppen-Whats-App-Chats. Nähere Informationen hierzu und zum Download der Materialien folgen in den nächsten Tagen.
Kursstart: Montag, 18. Mai, erste Diskussion 20. Mai. |