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Seit dem 7. Jahrhundert konnten sich im östlichen Mittelmeerraum arabische Herrschaften etablieren, die von Damaskus aus große Territorien im Vorderen Orient und in Nordafrika verwalteten. In der Zeit der Omaijaden war ein syrisch-arabisches Christentum verbreitet, das sich gegen das byzantinische Christentum abgrenzte, vor allem durch die Bestreitung der Gottessohnschaft Jesu und somit auch der Trinität. Unter der abbasidischen Herrschaft, ab 750, verselbständigten sich die arabischen Motive fortschreitend zu einer selbständigen Religion, dem Islam. Sie konnten ihre Herrschaft immer weiter ausbreiten, und im Verlauf des 8. und 9. Jahrhunderts folgte die Eroberung weiter Teile Spaniens, die im 9. Jahrhundert zunehmend auch religiöse – islamische Züge – annahmen.
Die beiden Herrschaftsgebiete, das christliche Europa und der muslimische Orient standen sich konfliktreich gegenüber und wollten ihre jeweiligen Gebiete auch militärisch ausweiten (Arabische Eroberungen und das Osmanische Reich) bzw. die verlorenen zurückgewinnen (Kreuzzüge, Reconquista). Trotzdem kam es zu zahlreichen Kontakten kulturelle Art, von denen vor allem Europa profitierte.
Vom 9. bis zum 11. Jahrhundert entwickelte sich in der islamischen Welt eine beeindruckende Kultur, der Europa zunächst nichts Vergleichbares entgegen setzen konnte. Dies hat vor allem seinen Grund darin, dass im Osten eine umfassende Rezeption der griechischen Kultur stattfand (Mutaziliten). Griechische Schriften zur Philosophie, zur Medizin, zur Astronomie, auch zu technischen Problemen, wurden übersetzt, meist zunächst in das Syrische, bald auch mehr und mehr in die neue Herrschaftssprache, das Arabische. Diese Übersetzungsleistungen gehen nur selten auf arabische, meist auf syrische Wissenschaftler zurück. Immerhin aber wurden diese Vorgaben aufgegriffen und weiterentwickelt – auch dies nur selten von Arabern. Weil aber alle Publikationen im islamischen Raum erfolgten, werden alle hervorragenden Autoren als Muslime bezeichnet, was sie oft nur formal waren. Ihre Schriften wurden – meist in Spanien – von Christen ins Lateinische übersetzt und so im europäischen Raum verbreitet. Noch bis in die Neuzeit hinein orientierte sich die arabische Medizin z.B. an Schriften von Avicenna (arab.: Ibn Sina), auch Publikationen aus den anderen Bereichen (Mathematik) wurden aufgegriffen.
Die vielleicht wichtigste Vermittlung aus dem Islam nach Europa waren die Werke des Aristoteles, die an den europäischen Universitäten aufgegriffen wurden und zu einer neuen wissenschaftlichen Blüte führten. Nicht selten wird dieser kulturell Austausch als ein einseitiger Prozess angesehen: das unterentwickelte Europa lernte von der überlegenen islamischen Kultur.
Dabei hatte auch Europa wichtige Phänomene entwickelt, die es so im Islam nicht gab, eine Landwirtschaft, die von Lehnsherren betrieben wurde, die inmitten ihrer Güter wohnten. In der islamischen Welt residierten die Grundbesitzer in Städten, die Landwirtschaft wurde von rechtlosen Fellachen betrieben. Oder: im Mittelalter entwickelte sich in Europa eine Stadtkultur, in der die jeweiligen Städter zunehmend die Verwaltung in die eigenen Hände nahmen: es bildete sich ein Bürgertum aus, das sich so in den islamischen Städten nicht findet. Aus den Ordensschulen waren Universitäten – mit viel Autonomie – entstanden. Diese europäischen Leistungen wurden vom Islam nicht übernommen, ebenso wenig wie die wissenschaftlichen Werke europäischer Herkunft. Der Islam schottete sich zunehmend ab.
Hinzu kam eine Entwicklung in der islamischen Welt, die die eigene Blütezeit beendete: Der Islam wurde mehr und mehr zu einem Rechtssytem (fiqh), in dem die Richter die entscheidende Rolle spielten. Diese aber lehnten alle Entwicklungen ab, die sich nicht aus dem Koran und der Sunna herleiten ließen oder mit ihm übereinstimmten. So kam es zu Verfolgungen kritischer Philosophen (Averroes, arab.: Ibn Ruschd), die medizinische Praxis fand keine Fortsetzung, und auch alle anderen Wissenschaften wurden negativ gesehen. Diese Orientierung am Koran findet eine beeindruckende Formulierung durch den Gelehrten al-Ghazzali, gest. 1111, der in seinen Werken alle kulturellen Phänomene, von der Philosophie bis zur Mystik, einem engen Korsett unterwarf. Besonders die islamische Sufik, die im 9. Jahrhundert zu einer ersten Blüte gelangt war (Rabi’a von Basra, al-Bistami, al-Halladsch), wurde durch die Konsolidierungsversuche al-Ghazzalis (Ordensmystik, Lehrbücher) zurück geworfen. Vom 12. Jahrhundert an entwickelte sich aber im persischen Raum ein reizvoller Kontrast durch die poetischen Werke der Mystiker Sana’i, Attar und Rumi. Sie gelten besonders in der schiitischen Welt bis heute als außergewöhnliche Zeugnisse islamischer Spiritualität.
Seit dem 12. Jahrhundert kennt der Islam keine dynamischen Entwicklungen mehr, mit einer kleinen Zeitversetzung im spanischen Islam (maurische Kultur). Dagegen wurden in Europa die aus dem Islam bekannt gewordenen Motive leidenschaftlich an den Universitäten diskutiert, z.B. der sog. Averroismus (Averroes, gest. 1198), der die Ewigkeit der Materie, im Unterschied zur Schöpfungsvorstellung, vertrat. Seit dem 12. Jahrhundert gibt es eine zunehmende Überlegenheit Europas, die sich dann in der Kolonialzeit auch politisch-militärisch auswirkte.
Im Brückenkurs sollen die Höhepunkte der islamischen Kulturgeschichte in einem chronologischen Durchgang gemeinsam erarbeitet und diskutiert werden. Ergänzend zu den wöchentlichen Treffen auf MS-Teams erhalten die Teilnehmer/Innen diverses Material (Skripte, Präsentationen u.a.), so dass die „Sitzungen” selbst entlastet sind und Gespräche entstehen können. |