Kommentar |
„Während es die Aufgabe unserer beiden Staaten bleibt, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit zu fördern, sollte es Ihnen und der französischen Jugend obliegen, alle Kreise […] dazu zu bewegen, einander immer näher zu kommen, sich besser kennenzulernen und engere Bande zu schließen.” Charles de Gaulles Rede an die deutsche Jugend vom 9. September 1962 wird gemeinsam mit dem 1963 von Konrad Adenauer und de Gaulle unterzeichneten Élysée-Vertrag oftmals als Auftakt der deutsch-französischen Aussöhnung gesehen. Der Élysée-Vertrag legte einen Schwerpunkt auf Erziehungs- und Jugendfragen, was mit der Gründung des deutsch-französischen Jugendwerkes (1963) zum Ausdruck kam. Obwohl es vielleicht das bekannteste Ereignis in der Geschichte deutsch-französischer Annäherungen im Bereich der Jugendarbeit und -bildung darstellt, lassen sich Bemühungen, durch Erziehung Frieden zwischen Deutschland und Frankreich zu stiften, historisch viel weiter zurückverfolgen. Im Seminar wollen wir diese Annäherungen in den Blick nehmen und diskutieren. Dabei werden wir auf bekannte und institutionalisierte Beispiele wie die UNESCO blicken, aber auch auf weniger bekannte Bemühungen, wie deutsch-französische Historiker*innen-Kommissionen zur Revision von Geschichtsbüchern nach dem ersten und zweiten Weltkrieg.
Anhand zeithistorischer Dokumente, Forschungsliteratur und Filmmaterial werden wir gemeinsam der Frage nachgehen, wie nach beiden Weltkriegen Annäherungen zwischen Deutschland und Frankreich auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung gestaltet wurden. Wir werden diskutieren, warum gerade „die Jugend” Hoffnungsträger für gesellschaftliche Entwicklungen in Richtung einer friedlichen Zukunft wurde, welche (nationalen) Vorstellungen sich mit den Ideen von Völkerverständigung und einer Erziehung zum Frieden verbanden und wie sich diese in pädagogische Konzepte und Hoffnungen übersetzten. Jenseits einer reinen Erfolgsgeschichte der deutsch-französischen Freundschaft sollen so auch die nationalen Erwartungen an deutsch-französische Bildungskooperationen und die eigenen Interessen beider Länder ins Blickfeld geraten. Es sollen Reibungspunkte ausgemacht und kritisch diskutiert werden, welche spezifischen Vorstellungen von Frieden sich in den jeweiligen Bildungsprojekten ausbuchstabierten. |