Kommentar |
Die Wiederentdeckung der Kolonialzeit manifestiert sich seit Jahrzehnten in Deutschland, Frankreich und im frankophonen Afrika in vielfältiger Form. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind beispielweise zahlreiche literarische Erinnerungswerke über diese sogenannte shared history im deutschsprachigen Gebiet erschienen, während die europäischen Kolonialismen bereits in der Kolonialzeit Gegenstand der literarischen Auseinandersetzung im frankophonen Raum waren. Der deutsche Kolonialismus, der in Deutschland lange Zeit verdrängt worden ist, wurde in der frankophonen Literatur aus einer kritischen und vergleichenden Perspektive aufgegriffen.
Ziel des Proseminars ist es, möglichst breite Kenntnisse über die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus mit Fokus auf die Unterschiede und die kulturellen Besonderheiten der beiden Kulturräume (frankophoner und deutschsprachiger Raum) und der literarischen Praktiken anhand der Inszenierung des deutschen Kolonialismus in der frankophonen Literatur zu erwerben. Daneben soll erörtert werden, wie sich das kollektive Gedächtnis (zur deutschen Kolonisation im Besonderen und zur europäischen Kolonisation im Allgemeinen) von einer afrozentrischen und beanspruchenden bis zu einer interkulturellen, transnationalen und multikulturellen Perspektive, in eine transnationale Suche bei den frankophonen AutorInnen verwandelt hat.
Das Seminar wird in drei Dimensionen gestaltet. Im ersten Teil des Proseminars soll ein grundsätzliches Verständnis von Kolonialismus und ferner Kolonialsystemen aus Sicht der Literatur(en) geschaffen werden, um aus vergleichender Perspektive die Genese und die kolonialismuskritische Funktion der frankophonen afrikanischen Literaturen aufzuzeigen. Im zweiten Teil wird sich dem deutschen Kolonialismus in der frankophonen Literatur mit Fokus auf einige relevante Texte über diese Problematik gewidmet: Un Sorcier blanc à Zangali (1969) von René Philombe und Blue book (2015) von Élise Fontenaille-N’Diaye. Im dritten Teil des Proseminars sollen das Kolonialerbe als Instrument des Überdenkens soziokultureller Beziehungen sowie Konzepte, die sich aus diesen Texten ableiten, untersucht werden: interkulturelle Begegnung und Kommunikation, literarische und kulturelle Hybridität, transnationales Gedächtnis, Erinnerungsarbeit usw... |