Kommentar |
Die Epoche der Europäischen Aufklärung mit der von Immanuel Kant programmatisch formulierten Prämisse vom „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit” (1784) bringt einerseits neue mediale Formen hervor, die dezidiert im Dienste aufklärerischer Wissensvermittlung (etwa mit der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers) stehen. Doch auch generell verändert sich im 18. Jahrhundert durch eine rasant gestiegene Alphabetisierungsrate das literarische System: Mehr Menschen können lesen – und wollen auch lesen. Gemeinsam mit günstigeren Druckverfahren, Lesezirkeln und Leihbibliotheken verändert sich so das literarische System, wenn Lyrik, Prosa und Drama neue Themen und Genres hervorbringen. Zentral für die Vertreter der Aufklärung ist dabei die Frage, in welchem Verhältnis die individuelle Selbstaufklärung zur Aufklärung aller Mitglieder der Gesellschaft steht und stehen soll. Die Aufklärung bedürfe, so nochmals Kant, vor allem der „Freiheit”, „von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen”. Nur der „öffentliche Gebrauch” der Vernunft könne „Aufklärung unter Menschen zustande bringen”.
Gegenstand des Seminars sind daher die diversen Medien, die die europäische Aufklärung entwickelt, genutzt und weiterentwickelt hat, um ihre Ideale öffentlich und öffentlichkeitswirksam zu vermitteln. Dabei verbindet das Seminar dezidiert kunstgeschichtliche, medienkomparatistische und literaturwissenschaftliche Perspektiven, Gegenstände und Verfahren. Es bietet eine grundlegende Einführung in die Aufklärung als geistesgeschichtliche Bewegung, wiederholt knapp grundlegende literatur- und kunstwissenschaftliche Verfahren, wird sich aber vor allem mit der genauen Betrachtung der Möglichkeiten und Grenzen der im 18. Jahrhundert von der Aufklärung genutzten Medien befassen und ihres Bemühens um Einflussnahme auf die öffentliche Meinung fokussieren. Seminargegenstand sind u.a. Lehrgedichte, Medaillen, Tabakdosen, Sammelgeschirr, Gemälde und Vivatbänder, Romane und Flugschriften. Dabei widmet sich das Seminar widmet den ‚Medienrevolutionen’ des 18. Jahrhunderts in vergleichender Perspektive, blickt auf Motive, Themen und Genres, auf literarische und bildkünstlerische Strategien.
Sofern die „Corona”-Situation dies zulässt, ist für Ende September 2021 eine durch LuS-Mittel der Philosophischen Fakultät kofinanzierte Exkursion nach Berlin und Potsdam vorgesehen; eine Terminabsprache erfolgt in der ersten Seminarsitzung. |