Kommentar |
"Hat der Genitiv noch eine Chance – trotz des Dativs und dem Dativ zum Trotz?" schreibt Bastian Sick im Klappentext seines Buches "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod". Im entsprechenden Kapitel zum Genitiv stellt er fest, dass Dialekte den Genitiv überhaupt nicht mehr verwenden und dass er im Standarddeutschen häufig vom Dativ verdrängt wird, insbesondere nach Präpositionen wie wegen in wegen einem Unfall statt wegen eines Unfalls. Auch in anderen Funktionen ist der Genitiv vom Aussterben bedroht: Als Objekt von Verben wird er größtenteils nur noch in der juristischen Fachsprache verwendet, z.B. des Diebstahls bezichtigen/beschuldigen/anklagen oder des Verstorbenen gedenken. Wie der Seminartitel aber bereits nahelegt, ist der Genitiv in einigen Bereichen durchaus noch lebendig: In attributiver Funktion beim Substantiv (der Tod des Genitivs) kann er sich trotz zahlreicher Ersatzkonstruktionen (dem Genitiv sein Tod; der Tod vom Genitiv) behaupten. Bei neu entstehenden komplexen Präpositionen ist er sogar der Standardkasus: im Zuge/im Laufe/im Vorfeld der Verhandlungen.
Im Seminar werden wir zunächst die allgemeine Form und Funktion des Wes-Falls aufarbeiten. Danach schauen wir uns systematisch an, wo der Genitiv heute noch produktiv ist (z.B. als Attribut in das Haus des Nachbarn), wo er als "erstarrt" gelten muss oder nicht mehr als Genitiv wahrgenommen wird (z.B. bei Adverbien wie morgens, beim s-Plural in Dort wohnen Müllers, bei Kompositionen als Fuge wie Bundesbank) und wo er komplett durch andere Kasus bzw. Konstruktionen ersetzt worden ist (z.B. als Objekt von spotten in über einen Rat spotten statt eines Rates spotten). Dazu werfen wir auch einen Blick auf historische und dialektale Varietäten des Deutschen.
Leistungsanforderungen: 1. Referat, 2. Klausur oder Hausarbeit |