Schon seit Jahrhunderten beschäftigt man sich mit der Frage, wie Mensch und Tier voneinander abzugrenzen sind und in welchem Verhältnis sie zueinanderstehen. Vor allem in der Philosophie spielt die „anthropologische Differenz”, der philosophische Fachterminus für die kategoriale Unterscheidung von Mensch und Tier, schon seit der Antike eine wichtige Rolle. Dabei dient die Differenzierung des Menschen vom Tier von jeher dazu, die Frage nach dem Wesen des Menschen zu beantworten. So wähnt sich der Mensch als der Überlegene, was sich auf angeblich prägnante Vorzüge gegenüber der Tierwelt stützt. Immer wieder genannte Aspekte stellen dabei die Vernunft, Sprache sowie die Fähigkeiten zum Lachen und Weinen dar. Zwar sind Tiere in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, doch seit jeher ist das Verhältnis zwischen Mensch und Tier ambivalent. Bedrohten sie in der frühen Menschheitsgeschichte noch das Leben des Menschen, kehrten sich die Verhältnisse schließlich gänzlich um: einerseits ist die Beziehung von Mensch und Tier durch ein Überlegenheitsgefühl gezeichnet, der Mensch sieht sich als Herrscher über die Tiere und unterwirft sie als Nutztiere, andererseits sind sie als Haustiere „treue Begleiter” und oftmals vollwertiges Familienmitglied des Menschen.
Auch in die Literatur finden Tiere immer wieder Einzug. Sie lässt nicht nur Tiere sowohl als sprechende Akteure als auch als realistisch tönende (Haus-)Tiere auftreten, sondern auch Menschen in Tierrollen und vice versa. Dabei reflektiert und kritisiert die Literatur in vielfältiger Weise das Verhältnis von Mensch und Tier. Das Seminar behandelt ausgewählte deutschsprachige Texte seit der Reformationszeit, widmet sich dabei sowohl einschlägigen Texten von kanonisierten Autor:innen (z.B. Gotthold Ephraim Lessing, Jeremias Gotthelf, Marlen Haushofer und Franz Kafka) als auch verschiedensten Gattungen (z.B. Fabel, Märchen, Novelle, Roman) und untersucht die ausgewählten Werke hinsichtlich ihrer Deutungsmuster für die Tier-Mensch-Beziehung und die anthropologische Differenz.
Seminarlektüre:
Folgende Texte sind vor Seminarbeginn anzuschaffen:
Johann Wolfgang Goethe: Reineke Fuchs (Reclam)
Jeremias Gotthelf: Die schwarze Spinne (Reclam)
Franz Kafka: Die Verwandlung (Reclam)
Marlen Haushofer: Die Wand (Ullstein)
Weitere Texte und Materialien werden in Moodle bereitgestellt.
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