Kommentar |
Spätestens seit Trump in den USA, Bolsenaro in Brasilien und Victor Orbán in Ungarn wichtige Staaten regieren, gehört die Auseinandersetzung mit Populismus zum Alltagsdiskurs in der medialen Öffentlichkeit. Unter demselben Schlagwort werden in Frankreich die (rechte) Bewegung von Marine Le Pen, das Rassemblement national, sowie die (linke) Bewegung La France insoumise verhandelt. Gleiches gilt für die rechtsorientierte AFD und die Anhänger:innen Sara Wagenknechts innerhalb der Linkspartei.
Gerade die mediale Öffentlichkeit sowie Teile der wissenschaftlichen Forschung, die sich von der Politik–, Geschichts- und Kulturwissenschaft über die Soziologie bis hin zur Linguistik erstreckt, gehen dabei von einem genuin neuen Phänomen aus. Doch was – wenn überhaupt – ist neu am modernen Populismus, der sich – wie die Beispiele zeigen – sowohl im linken wie rechten politischen Spektrum finden lässt? In der Übung ergründen wir gemeinsam die historischen Wurzeln des Populismus, erörtern Kontinuitäten sowie Diskontinuitäten zwischen populistischen Strömungen, analysieren Unterschiede und Gemeinsamkeiten der auf vermeintlich gegensätzliche Ziele hinarbeitenden politischen Strömungen und nehmen die Praktiken des Populismus in den Blick.
Alternativvorschlag zum dritten Abschnitt:
Konkret gilt es, die Theorien des Populismus kritisch zu diskutieren und anhand verschiedener populistischer Praktiken auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen. Hierbei werden wir unser Interesse keineswegs auf die historische Perspektive beschränken, vielmehr wird es darum gehen, die Perspektiven der einzelnen Fachdisziplinen einzubinden. Neben den Spezifika verschiedener populistischer Strömungen – wie zum Beispiel Links- und Rechtspopulismus oder lateinamerikanischer Populismus – stehen die Funktionsweisen des Populismus im Fokus, sodass wir uns in einzelnen Sitzungen beispielsweise mit „Populismus und Sprache”, „Populismus und Bildern”, „Populismus und Emotionen” usw. auseinandersetzen.
Neben dem thematischen Inhalt ist ein wichtiges Ziel von Übungen, praktische wie theoretische Kenntnisse der historischen Methoden zu vermitteln. Bei dieser Veranstaltung haben wir uns dafür entschieden, den Kern des geschichtswissenschaftlichen Arbeitens – die Quellenkritik – zu vertiefen. Daher stellen wir neben den üblichen Vorbereitungstexten pro thematische Sitzung eine Quelle zur Verfügung, die wir gemeinsam bearbeiten werden. Als Studienleistung erwarten wir ein Referat, in dessen Zentrum eine historische Fragestellung steht, die mit Hilfe einer breiten Literaturbasis und mindestens einer Quelle thesenartig beantwortet wird. |
Literatur |
Balzer, Jens: Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik, Hamburg (Edition Körber) 2019.
Beigel, Thorsten / Eckert, Georg (Hrsg.): Populismus. Varianten von Volksherrschaft in Geschichte und Gegenwart, Münster (Aschendorff) 2017. Decker, Frank (Hrsg.): Populismus – Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2006. Faber, Richard / Unger, Frank (Hrsg.): Populismus in Geschichte und Gegenwart, Würzburg (Königshausen & Neumann) 2008.
Mudde, Cas / Kaltwasser, Cristóbal Rovira (Hrsg.): Populism in Europe and the Americas. Threat or Corrective for Democracy?, Cambridge / New York (Cambridge UP) 2012. Müller, Jan-Werner: Was ist Populismus? Ein Essay, Berlin (Suhrkamp) 52017. Schaefer, Johannes: Die Sprache der Populisten. Eine politikwissenschaftliche Sprachanalyse, Baden-Baden (Nomos) 2021. Römer, David / Spieß, Constanze (Hrsg.): Populismus und Sagbarkeiten in öffentlich-politischen Diskursen, Duisburg (Universitätsverlag Rhein-Ruhr) 2019. Rosanvallon, Pierre: Das Jahrhundert des Populismus. Geschichte – Theorie – Kritik, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung) 2021 [Paris (Seuil) 2020].
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