Kommentar |
Wann endet das Mittelalter, wann beginnt die Frühe Neuzeit?
Auch wenn man vielleicht gerne eindeutige Epochengrenzen festlegen würde, erweist sich dies als keineswegs einfach - vielleicht ist die gerade gestellte Frage damit gar keine sinnvolle! Die Vorlesung stellt anhand ausgewählter Textbeispiele die 'Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen' in den Jahrhunderten zwischen ca. 1400 und 1600 dar: Während einerseits z.B. 'der' Humanismus keineswegs überall im Westen die gleichen Spuren hinterließ, lassen sich andererseits 'humanistische' Tendenzen auch bereits deutlich vor dem Renaissance-Humanismus entdecken. Während einerseits mittelalterliche, oder zumindest: aus der Zeit vor 1400 stammende Ezähltraditionen in einigen Bereichen ungebrochen bis ins 16. Jahrhundert fortgesetzt wurden, bedeuten andererseits Prosaromane wie der Fortunatus überraschende Traditionsbrüche. Während Kaiser Maximilian I. einerseits humanistische Gelehrte förderte, ließ er andererseits Turniere nach mittelalterlichem Vorbild ausrichten. Während einerseits Kolumbus Amerika entdeckte, dauerte es andererseits lange, bevor die Folgen dieser Entdeckung eine spürbare Wirkung für die Wahrnehmung der Welt entfalteten. Während einerseits die Reformation das religiöse Weltbild des Westens definitiv erschütterte, blieb andererseits die prinzipielle Dominanz der Vorstellung einer christlichen Heilsgeschichte unangefochten.
Dargestellt werden soll damit die faszinierende Vielfalt der (langen!) 'Sattelzeit' des 14.-16. Jahrhunderts. |