Kommentar |
Übersetzen ist für den Philologen, namentlich den „klassischen”, das tägliche Brot. Durch den Transfer aus dem Lateinischen oder Griechischen in unsere Muttersprache eignen wir uns die Werke der antiken Autoren an, oftmals mühsam und zuweilen unter dem Damoklesschwert von Klausurprüfungen (wer dächte nicht an unsere „Lateinisch-deutschen” oder „Deutsch-lateinischen Übersetzungsübungen”). Schon im Altertum vermittelte sich der Einfluß einer Kultur auf die andere im Wege der Übersetzung; besondere Bedeutung erlangte die Übernahme griechischer Werke und ihres Gedankenguts ins Lateinische gleich von Anbeginn der römischen Literaturgeschichte. Gerade an diesem Prozeß läßt sich zeigen, daß sich „Übersetzung” nicht allein auf die sprachliche Umsetzung von Texten beschränkt, sondern daß sich damit ein viel umfassenderer Vorgang komplexer gedanklicher und auch allgemein kultureller Annäherung vollzieht.
In dieser Veranstaltung sollen in gemeinsamer intensiver Lektüre ausgewählte Beispiele für antike Übersetzungen untersucht werden, von den durch Übersetzungen aus dem Griechischen geprägten Anfängen der römischen Literatur im 3. Jhdt. v.Chr. über Ciceros rege Übersetzungstätigkeit, die namentlich griechisches Denken in lateinischer Sprachform in Rom heimisch machen wollte, bis zur Übertragung biblischer Texte, die seit der hellenistischen Zeit durch den Transfer von Texten aus bislang im griechisch-römischen Raum weniger beachteten Sprachen wie dem Hebräischen und Aramäischen ins Griechische und Lateinische eines der wirkmächtigsten Textcorpora überhaupt als kulturelles Fundament des Abendlandes errichtete. |