Kommentar |
Investition und Spekulation lassen sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive nicht trennscharf unterscheiden. In beiden Fällen wird eine Handlung in der Gegenwart mit einer zukünftigen Entwicklung begründet, es handeln jeweils rationale Akteure unter unsicheren Bedingungen und die Folgen können in beiden Fällen für das Gemeinwesen erfreulich oder auch desaströs sein. Was in dieser Hinsicht kaum zu unterscheiden ist, wird im Sprachgebrauch umso deutlicher getrennt: auf der einen Seite steht der gewissenhafte, sorgsame und rationale Kaufmann, auf der anderen der verantwortungslose, risikofreudige und emotionale Spieler. Es zeigt sich somit schnell, dass es sich bei dem Wesen und den Handlungen des Spekulanten (sowie den Folgen seiner Spekulation) um ein ambivalentes Themengebiet handelt. Literatur kann in diesem Zusammenhang als signifikanter Reflexionsraum fungieren und so das Verhältnis von Gesellschaft, ökonomischer Systemlogik und individueller Handlungsmotivik ausloten.
Das Seminar widmet sich besonders der Frage danach, wie Literatur hinsichtlich der Spekulation den Betrachtungswinkel des Konkreten einnimmt und auf diese Weise umfassende Wechselwirkungen von Gesellschaft, Ökonomie und Einzelpersonen aufzeigt. Durch die Figur des Spekulanten werden Perspektiven auf bestimmte gesellschaftliche und kulturelle Praktiken eröffnet, wodurch besondere Aspekte zur Diskussion des globalen Wirtschaftssystems, gleichzeitig aber auch zu Gesichtspunkten der individuellen Verantwortung, beigetragen werden. Zusätzlich zur Figur des Spekulanten, wird im Seminar aber auch grundlegende Theorie zu Geldfunktionen, Finanzkrisen (in deren Mittelpunkt häufig der Spekulant zu finden ist) und Spekulation thematisiert. |