Kommentar |
Je weiter die Shoah in die Vergangenheit rückt, umso drängender wird die Frage nach der Erinnerung. Wenn Zeitzeug:innen fehlen, die vom eigenen Erleben berichten können, übernehmen mediale Erzeugnisse diese Aufgabe – je nach Medium geprägt von unterschiedlichen Darstellungsmitteln, Grenzen der Darstellbarkeit und Herangehensweisen. In diesem Zusammenhang verlagert sich die Frage zunehmend von der Erinnerung an die Shoah selbst auf das Wie, das Warum und die beteiligten Personengruppen eben dieses Erinnerungsdiskurses.
Diese Debatte ist nicht neu: Die Problematik einer angemessenen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Shoah formiert bereits seit der Nachkriegszeit einen zentralen Diskurs in der deutschsprachigen Literatur. Ausgehend von Theodor W. Adornos prominentem Diktum aus dem Jahr 1949, „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben” sei „barbarisch”, widmen sich die Debatten der künstlerischen Darstellbarkeit der Shoah in Literatur und davon ausgehend auch im Film. Hierbei lassen sich verschiedene Schwerpunkte ausmachen, beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis von historischen Fakten und Fiktion, nach dem Zusammenhang von individuellem und kollektivem Schicksal oder die Frage der Zeugenschaft. Auf einer Metaebene spielt häufig der Aspekt der Sprachlosigkeit, des Verstummens und Schweigens angesichts des Unfassbaren eine Rolle. Aber auch die Angemessenheit einer Ästhetisierung, die Grenzen der Darstellbarkeit oder einer Verbindung mit Komik und Groteske werden diskutiert.
Diesen Erinnerungsdiskursen wird das Seminar anhand einschlägiger Texte und Filme nachgehen. Prägende Topoi und Motive stehen hierbei ebenso im Fokus wie der Zusammenhang von künstlerischer Darstellung und gesamtgesellschaftlichen Debatten. Wir analysieren autobiographische Berichte und Essays, Lyrik, aber auch theoretische Beiträge. Auch an Filmen wird ein breites Spektrum von Dokumentarfilm, über DDR-Spielfilm hin zum Hollywood-Blockbuster untersucht werden. Ausgehend von diesen einschlägigen Texten und Filmen widmen wir uns dann neueren medialen Projekten, z.B. Comics oder auch Instagram-Stories. |