Kommentar |
Die argentinische Anthropologin und Kulturwissenschaftlerin Rita Laura Segato ist in den letzten Jahren weit über ihre ethnologischen Studien zu indigenen und afrobrasilianischen Kulturen hinaus vor allem für ihre Analysen zu geschlechtsbezogener Gewalt und Feminiziden, aber auch für ihre Thesen zu „señorialen”, „konquistualen” ökonomischen Dynamiken in der globalen Gegenwart bekannt geworden. Wir wollen uns im Seminar vertieft mit einigen Konzepten und Texten der lateinamerikanischen Intellektuellen und Feministin auseinandersetzen, um die Genealogie ihres Denkens in Grundzügen nachzuvollziehen, und es auf seine Anwendbarkeit für Kultur- und Literaturanalysen zu befragen. Einen Schwerpunkt wird das Konzept der „Pädagogiken und Gegenpädagogiken der Grausamkeit” bilden, das Segato in den letzten Jahren als Beschreibung für Umgebungen vorgeschlagen hat, in denen Affekte entstehen, die funktional für Beherrschungs- und Aneignungsbeziehungen sind und „Subjekte lehren, gewöhnen und programmieren, das Lebendige und seine Vitalität in Dinge zu verwandeln.” Wer Lust hat, gemeinsam darüber nachzudenken, was es mit solchen Formulierungen auf sich hat, und ob ‚Pädagogiken‘ etwas mit ‚Poetiken‘ zu tun haben, ist in diesem Seminar richtig. In der zweiten Hälfte des Semesters wird es dann darum gehen, die Implikationen von Segatos Denken für konkrete Bereiche der Kulturproduktion auszuloten. Hier werden Sie jeweils zu einem ausgewählten literarischen Text, Film oder anderen Material ihre eigenen Seminarbeiträge erarbeiten. (Gegen-)Poetiken der Grausamkeit sollen dabei einmal im Bereich der Narration von Gewalt, die Menschen an Menschen verüben, analysiert werden. Hier werden uns vor allem Erzählungen und mediale Architekturen interessieren, in denen eine Täterperspektive eingenommen wird, und wir fragen nach deren (anti-)identifikatorischen und affektiven Wirkungen. Der zweite Bereich wird mediale Inszenierungen der Destruktivität von Menschen gegenüber anderen Lebewesen und der Erde betreffen. Hier wird uns unter anderem die Frage leiten, inwiefern Verdrängungs-, Verstellungs- und Verschleierungsmechanismen in der Darstellung von Mensch-Nicht-Mensch-Beziehungen wirksam sind. |